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beides auf diejenigen Schranken zurückführen, welche das gemeinsame Wohl notig
macht, und verordnen daher folgendes:
8 1. Freiheit des Güterverkehrs.
Jeder Einwohner unserer Staaten ist ohne alle Einschränkung in Beziehung
auf den Staat zum eigentümlichen und Pfandbesitz unbeweglicher Grundstücke
aller Art berechtigt; der Edelmann also zum Besitz nicht bloß adliger, sondern auch
unadliger, bürgerlicher und bäuerlicher Güter aller Art, und der Bürger und
Bauer zum Besitz nicht bloß bürgerlicher, bäuerlicher und anderer unadliger,
sondern auch adliger Grundstücke, ohne daß der eine oder der andere zu irgend
einem Gütererwerb einer besonderen Erlaubnis bedarf, wenngleich nach wie vor
jede Besitzveränderung den Behörden angezeigt werden muß. Alle Vorzüge, welche
bei Gütererbschaften der adlige vor dem bürgerlichen Erben hatte, und die bisher
durch den persönlichen Stand des Besitzers begründete Einschränkung und Sus-
pension gewisser gutsherrlichen Rechte) fallen gänzlich veg
§ 2. Freie Wahl des Gewerbes.
Jeder Edelmann ist ohne jeden Nachteil seines Standes befugt, bürgerliche
Gewerbe zu treiben; und jeder Bürger oder Bauer ist berechtigt, aus dem Bauern-
in den Bürger= und aus dem Bürger= in den Bauernstand zu treten.
#§ 4. Teilung des Grundstücks.
Die Besitzer an sich veräußerlicher städtischer und ländlicher Grundstücke und
Güter aller Art sind nach erfolgter Anzeige bei der Landespolizeibehörde unter
Vorbehalt der ’Rechte der Realgläubiger und der Verkaufsberechtigten zur
Trennung der Radikalien und Pertinenzien wie überhaupt zur teilweisen Ver-
dußerung, also auch die Miteigentümer zu deren Teilung unter sich, berechtigt.
*s 10. Auflösung der Gutsuntertänigkeit.
Nach dem Datum dieser Verordnung entsteht fernerhin kein Untertänigkeits-
verhältnis, weder durch Geburt noch durch Heirat noch durch Übernehmung einer
untertänigen Stelle noch durch Vertrag
11.
Mit der Publikation der gegenwärtigen Verordnung hört das bisherige Unter-
tänigkeitsverhältnis der Untertanen und ihrer Weiber und Kinder, die ihre Bauern-
güter erblich oder eigentümlich oder erbzinsweise oder erbpächtlich besitzen, wechsel-
seitig gänzlich auf. ,
§12.
Mit dem Martinitage eintausendachthundertundzehn hört alle Gutsuntertänig-
keit in unseren sämtlichen Staaten auf. Nach dem Martinitage 1810 gibt es nur
freie Leute, sowie solches auf den Domänen in allen unseren Provinzen schon
der Fall2) ist, bei denen aber, wie sich von selbst versteht, alle. Verbindlichkeiten,
1) M. Lehmann, Freiherr vom Stein. Bd. 2, S. 22: „Der Übergang eines Ritter-
gutes in bürgerliches Eigentum galt als Ausnahme und Notbehelf. Eine besondere Er-
laubnis des Monarchen war dazu erforderlich, und dem neuen bürgerlichen Besitzer
standen die sogenannten persönlichen Ehrenrechte des Ritterguts nicht zu, weder die
Jagdgerechtigkeit, noch die Gerichtsbarkeit, noch die Patronatsrechte, noch das Stimm-
recht auf Kreis= und Landtagen.“
à2) Nach M. Lehmann a. a. O. Bd. 2, S. 286 ein Irrtum. Förmlich verkündet war
die Abschaffung der Erbuntertänigkeit für die Domänenbauern nur in Ostpreußen, tat-
sächlich durchgeführt in Westpreußen und Nordostpreußen, sonst war sie in der Regel