Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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hat einst die Eroberungskriege verrufen und sich ewige Grenzen gesetzt — wie 
lange vergessen! Die große Nation, der Glanz, die Macht der großen Nation, 
ihre Großmut gegen das besiegte Europa: dies sind die Zauberklänge! Auf den 
Krieg, auf die Waffen, auf die Ehre des Soldaten weist er alles hin, nach dem 
Maß dieser ersten Kunst werden alle anderen Künste gewürdigt. Neue Einrichtungen, 
die die Revolution in ihrer Bedrängnis gebar, das furchtbare Mittel der all- 
gemeinen Bewaffnung, die Konskription, die unzähligen Heere: dies behält auch 
der Monarch bei, und durch neue Überziehungen und Mißhandlungen der Fremden, 
durch neue Einverleibung von Provinzen läßt er die Eitelkeit aufrechnen für das 
Glück, das nicht da ist. Die Heere und die Menge seiner Trabanten und Knechte 
aller Art geben einen jährlichen Stand der Ausgaben, der gegen das Übertriebenste 
unter den vorigen Regierungen unerhört ist; die Senatorerien, die Ländereien der 
Ehrenlegion sind eine Art Lehen, die das Feudalwesen allmählich wieder ein- 
führen werden, dessen Vernichtung allein einen langen Kampf wert war. Endlich 
schreckt er die Beweglichkeit des Volks durch Schrecken, die nichtig sind, durch 
Haß gegen England, der etwas Wirkliches ist, und treibt sie in einem Taumel 
rund, der es unter ihm glänzend und elend, unter seinen Nachfolgern vielleicht zu 
nichts macht. Das wirklich Edle und Schöne gebraucht er nicht bei diesem Volke; 
er behandelt es gemein durch die wildesten Triebe der menschlichen Natur; zeigt 
in einem Aufwand und Nepotismus ohne Grenzen seine ungestrafte Verachtung 
gegen sie, in einer tyrannischen Willkür seine Gewalt über ssie 
Ich sage nicht, daß bei Bonaparte alles absichtlich und listig ist. Er würde nie 
Großes getan, nie den Purpur angezogen haben, wenn dies wäre: ich sage nicht, 
daß er der verruchte Bösewicht ist, wozu ihn manche in Haß machen. Er hat ge- 
herrscht, wo man diente; geboten, wo man nachgab; seine gewaltige Kraft, oft 
planvoll, öfter unbewußt, fortgetrieben, wo kein Widerstand war; ja er hat wohl 
selten mehr gewußt, als er gefühlt hat; und so ist er dahin gekommen, wohin er 
beim Ausgehen noch nicht sehen konnte. Aber soll man ihn, der selbst einer blinden 
Macht in ihm folgt, den weisen und sicheren Führer nennen; soll man groß 
nennen, was klein, kühn, was grausam, weise, was hinterlistig ist? Soll man 
einem Mann, der kein Maß hat, Mäßigung zutrauen? Das Hohe der Menschheit 
hat er nie gedacht; von der Bildung und dem heiligsten Verhältnis Europens 
hat er keine Idee; in wilder Natur fährt er dahin, und durch Zufall kann selbst 
das töricht werden, was nicht einmal töricht gemeint ist. 
Man kann über den Mann wahrlich noch nicht aburteilen. Er hat noch nie 
ein würdiges und anhaltendes Gegengewicht gefunden; die Schwachen hat er zer- 
trümmert, wie sie ihm begegneten. Wenn er solches einmal fände und dann 
bestände — — 
n . Bonaparte trägt dunkel den Geist der Zeit in sich und wirkt allmächtig 
durch ihn; ohne Klügelei fühlt er die Fortschwingungen der furchtbaren Revolutions- 
bewegung und hält sein Volk frisch darin. Zum Krieger ward er geboren, nicht 
zum Herrscher; er übt sein Talent und wird es üben. 
B. Das französische Heer. 
Wer sind denn diese Unüberwindlichen und Unsterblichen, die von sich rühmen, 
daß sie unbesieglich sind? Seht sie an! Menschen, wie wir anderen, überhaupt 
nicht so stark und rüstig, als der Ungar, Dalmate, Kalabrese, Osterreicher und 
Schwede. Dies sind die Weltsieger, welche Weltherren werden wollen! Sie haben
	        
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