Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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wöhnlichen Geist eingehaucht, der unter Deiner Pflege denken lernte, wo ist der 
Augenblick, wo ich ihn mehr geltend machen kann? — Eine große Zeit will große 
Herzen, und ich fühle die Kraft in mir, eine Klippe sein zu können in dieser 
Völkerbrandung, ich muß hinaus und dem Wogensturme die mutige Brust ent— 
gegendrücken. 
Soll ich in feiger Begeisterung meinen siegenden Brüdern meinen Jubel 
nachleiern? — Soll ich Komödien schreiben auf dem Spotttheater, wenn ich den 
Mut und die Kraft mir zutraue, auf dem Theater des Ernstes mitzusprechen? — 
Ich weiß, Du wirst manche Unruhe erleiden müssen, die Mutter wird weinen! Gott 
tröste sie! Ich kann's Euch nicht ersparen. Des Glückes Schoßkind rühmte ich mich 
bis jetzt, es wird mich jetzo nicht verlassen. — Daß ich mein Leben wage, das 
gilt nicht viel; daß aber dies Leben mit allen Blütenkränzen der Liebe, 
der Freundschaft, der Freude geschmückt ist, und daß ich es doch wage, 
daß ich die süße Empfindung hinwerfe, die mir in der Überzeugung 
lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten, das ist ein Opfer, 
dem nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf. — Sonnabends 
oder Montags reise ich von hier ab, wahrscheinlich in freundlicher Gesellschaft, 
vielleicht schickt mich auch H. 1) als Kurier. In Breslau, als dem Sammelplatze, 
treffe ich zu den freien Söhnen Preußens, die in schöner Begeisterung sich zu den 
Fahnen ihres Königs gesammelt haben. Ob zu Fuß oder zu Pferde, darüber bin 
ich noch nicht entschieden, und kommt einzig auf die Summe Geldes an, die ich 
zusammenbringe. Toni-s) hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre große, edle 
Seele bewiesen. Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird ihre Tränen 
schon trocnen. — Die Mutter soll mir ihren Schmerz vergeben; wer mich liebt, 
soll mich nicht verkennen, und Du wirst mich Deiner würdig finden. 
Dein Theodor. 
Jauer, den 30. März 1813. 
Liebe Mutter! Eben erhalten wir die Nachricht, daß wir binnen acht Tagen 
vor dem Feinde stehen. Die Franzosen haben Dresden stark besetzt, machen 
Miene, es zu halten, und sollen ihre Vorposten bis Bautzen vorgerückt haben. 
Wir werden mit aller Eile vorgeworfen, und ich halte es für eine kleine Gunst 
des Schicksals, daß ich entweder die heilige Erde meiner Heimat befreien helfen 
darf oder doch vor den Mauern meiner väterlichen Stadt wie ein ehrliches 
deutsches Herz verbluten kann. Das walte Gott, ich bin bereit! 
Eine große, herrliche Stunde habe ich am Sonnabend verlebt. Wir zogen in 
Parade nach Rogau, einem lutherischen Dorfe, wo die Kirche zur feierlichen Ein- 
segnung der Freischar einfach aber geziemend ausgeschmückt war. Nach Absingung 
eines Liedes, das ich zu der Gelegenheit verfertigt hattes), hielt der Prediger des 
Ortes, Peters mit Namen, eine kräftige, allgemein ergreifende Rede. Kein Auge 
blieb trocken. Zuletzt ließ er uns den Eid schwören, für die Sache der Menschheit, 
der Religion und des Vaterlandes weder Gut noch Blut zu schonen und zu 
siegen oder zu sterben für die gerechte Sache. Wir schwuren! — Darauf warf er 
sich auf die Knie und flehte Gott um Segen für seine Kämpfer an. Bei dem 
Allmächtigen! es war ein Augenblick, wo in jeder Brust die Todesweihe flammend 
1) Wilhelm v. Humboldt, preußischer Gesandter in Wien. 
:) Körners Braut, Antonie Adamberger. 
*) „Wir treten hier im Gotteshaus — Mit frommem Mut zusammen, “
	        
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