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Dieses Vaterland und diese Freiheit sind das Allerheiligste auf Erden, ein
Schatz, der eine unendliche Liebe und Treue in sich verschließt, das edelste Gut,
was ein guter Mensch auf Erden besitzt und zu besitzen begehrt. Darum auch sind
sie gemeinen Seelen ein Wahn, und eine Torheit allen, die für den Augerblick ieben.
Aber die Tapferen heben sie zum Himmel empor und wirken Wunder in den
Herzen der Einfältigen.
Auf denn, redlicher Deutscher! Bete täglich zu Gott, daß er dir das Herz mit
Stärke fülle und deine Seele entflamme mit Zuversicht und Mut.
Daß keine Liebe dir heiliger sei als die Liebe des Vaterlandes und keine
Freude dir süßer als die Freude der Freiheit.
Damit du wieder gewinnest, worum dich Verräter betrogen, und mit Blut
erwerbest, was Toren versäumten.
Denn der Sklav ist ein listiges und geiziges Tier, und der Mensch ohne
Vaterland der unseligste von allen.
123.
Es ist eine große, herzerhebende Zeit.
Quelle: Ein Schreiben Gneisenaus an den Kammergerichtsrat Eichhorn
aus Liegnitz vom 19. März 1813.
Fundort: Tim Klein a. a. O. S. 148.
Es ist eine große herzerhebende Zeit Es wird mir schwer, mich der
Tränen zu erwehren, wenn ich all diesen Edelmut, diesen hohen deutschen Sinn
gewahr werde. Welches Glück, so lange gelebt zu haben, bis diese weltgeschicht-
liche Zeit eintrat. Nun mag man gern sterben, wir hinterlassen unseren Nach-
kommen die Unabhängigkeit.
124.
Weibliches Heldentum.
Quelle: Ein Brief Eleonore Prohaskast) an ihren Bruder.
Fundort: Fr. Förster, Geschichte der Befreiungskriege 1813—1815. Berlin 1856—61. Bd. 1. S. 287).
Aus unserem ersten Biwak 1813.
Lieber Bruder!
Nun habe ich Dir etwas ganz Neues zu erzählen, worüber Du mir aber vor-
her versprechen mußt, nicht böse zu sein. Ich bin seit vier Wochen schon Soldat!
1) Eleonore Prohaska (geb. 1785) war die Tochter eines invaliden Unteroffiziers in
Potsdam, der unter Friedrich dem Großen gedient und nach seiner Verabschiedung sich als
Musiklehrer in Potsdam niedergelassen hatte. Sie verließ 1813 heimlich das elterliche
Haus und trat unerkannt unter dem Namen August Renz als Jäger zu Fuß in das
Lützowsche Freikorps ein.
:) Friedrich Förster, der spätere Geschichtschreiber der Befreiungskriege, machte den
Krieg als freiwilliger Jäger im Lützowschen Korps mit. Er erzählt als Augenzeuge vom
Heldentod der Eleonore Prohaska: Als in dem Gefecht an der Göhrde am 16. September
1813 die Lützowschen Jäger eine französische Batterie bestürmten, wurde Renz an meiner
Seite der rechte Schenkel von einer Kanonenkugel zerschmettert. Im Niedersinken klammerte
er sich krampfhaft an meinen Mantel an, riß seine Litewka auf und rief: „Leutnant, ich bin
ein Mädchen!“ Sie war zum Tode verwundet und starb den schönen Tod fürs Vaterland.