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Wünsche, die durch den Pariser Frieden keineswegs ihrer Erfüllung näher ge—
bracht, viel weniger schon gänzlich erfüllt worden sind. Die Völker erwarten die
Erfüllung derselben von ihren Gewalthabern und Fürsten, und der Wiener Kon—
greß scheint die paßlichsten Gelegenheiten darzubieten, die äußeren Verhältnisse der
Völker und Staaten also zu ordnen, daß auch die inneren jenen Wünschen gemäß
eingerichtet werden können
Also fordern die europäischen Völker jedes seine Selbständigkeit;
jedes seine Vereinigung zu einem selbständigen und zu einem Ganzen
verbundenen Staate oder Reichel); jedes seine natürlichen Grenzen?), inner-
halb deren es sich halten, aber auch nicht leiden will, daß sie durch fremde Staaten
überschritten werden, oder auch, daß durch die Teilung des von ihnen eingeschlossenen
Grundgebietes in mehrere miteinander nicht zu einem Ganzen verbundene
Staaten dasjenige zerrissen wird, was die Natur zur Einheit und zum Ganzen
bestimmt hat. -
Zweitens fordern die Wünsche der Völker eine solche Verfassung des Staates,
wodurch die Zwecke desselben möglichst vollständig erreicht werden können.
Die Erfahrung aller Zeiten, und am allervollkommensten die der neuesten
Zeit, hat es zur Genüge bewiesen, daß Staaten von einem Umfange, wie nach
der jetzigen Größe und den übrigen Verhältnissen der europäischen Völker die
Staaten dieses Weltteiles sein müssen, unmöglich in republikanischer Form ver-
waltet werden können; sie hat es bewiesen, daß diese Form unsicher und schwankend
ist und bald in andere sich verwandelt, erst zur unbeschränkten Herrschaft einiger
weniger und ihrer Günstlinge und Verbundenen, endlich gewöhnlich zu der eines
einzigen übergeht; sie hat es bewiesen, wie unruhig eine Republik, wie schrecklich
eine Aristokratie und wie am allerschrecklichsten die Herrschaft eines Despoten ist,
der kein anderes Gesetz anerkennt, als seine Willkür, und seine Macht auf nichts
anderes begründet, als auf die Waffen seiner Soldaten.
Europa hat es erfahren, daß die beste Staatsverfassung diejenige
ist, in welcher ein erblicher Monarch, beschränkt durch die Wortführer
der Nation, nach Gesetzen, welche von diesen gegeben sind, den Staat
mehr regiert als beherrscht. Nach einer solchen Verfassung sehnen sich alle
Völker Europas, und die gebildetsten gerade am lebhaftesten und stärksten. In der
britischen Staatsverfassung ist dasjenige in Wirklichkeit dargestellt, was die Haupt-
sache und den Grundzügen nach in jeder Staatsverfassung der europäischen Völker
vorkommen sollte. Jene Verfassung hat auch ihre Mängel, und manches in ihr
ist auf das Ortliche und Volkstümliche der britischen Inseln gebaut; aber die
Grundsätze und der Geist, welche in ihr walten und herrschen, die sind es, welche
alle europäischen Völker für diejenigen Verfassungen wünschen, nach denen sie sich
sehnen. . .. In ganz Europa wird es jetzt auch anerkannt, daß eine solche oder
ähnliche durch Repräsentation des Volks und heilige Grundsätze gemäßigte erbliche
Monarchie die möglichst beste und vollkommenste Verfassung für die jetzige
Bildungsstufe der europäischen Völker ist. Kein begründetes Urteil ist noch gegen
sie erschienen; vielmehr stimmen die weisesten Staatsmänner darin überein, daß
nur in ihr Heil und Sicherheit zu suchen se
1) Für Deutschland bedeutet das die „Einheit des einen deutschen Reiches und
Staates“ (wie sie heutzutage besteht).
ç *) In bezug auf Deutschland fordert der Verfasser, und mit ihm viele Stimmen
jener Zeit, Elsaß und Lothringen zurück.
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. U. 16