Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

— 60 — 
37. 
Die Belagerung Wiens durch die Türken. 
1683. 
Quelle: Brief des Königs Johann Sobieski von Polen aus dem er- 
oberten türkischen Lager an seine Gemahlin. 13. September 1683. 
(Französisch)#h. 
Übersetzung: Salvandy, Briefe des Königs J. Sobieski an die Königin während des Feldzuges von Wien. 
Deutsch von Ochsle. Heubronn 1821. S. 49—5 
Unser Herr und Gott sei hochgelobt in Ewigkeit, der unserer Nation einen 
solchen Sieg und Ruhm verliehen, dergleichen in ewigen Zeiten niemals erhöret 
worden. Das ganze feindliche Lager samt der Artillerie und einem unschätzbaren 
Reichtume ist in unsere Hände kommen, und der Feind, mit dessen Leichen die 
Laufgräben, das Lager und offene Felder bedeckt sind, nunmehr in völliger 
Verwirrung auf der Flucht begriffen. Die Kamele und Maultiere, Rinder und 
Schafe, so der Feind an der Seite des Lagers beisammen gehabt, wurden heute 
von den Unsrigen in Besitz genommen, und mit ihnen wurden die gefangenen 
Türken herdenweise fortgetrieben. Es finden sich auch solche, so zu uns vom 
Feinde übergehen und sich freiwillig ergeben, welche wohl beritten und prächtig 
mit Kleidern angetan sind. Dieses hat einen so fremden und fast über alle 
Möglichkeit zu sein scheinenden Anblick gegeben, daß dem gemeinen Manne in der 
Stadt ein Schrecken angekommen und die Unfrigen im Lager an ein Wunder ge- 
glaubt haben, weil sie sich nicht anders haben einbilden können, als der Feind 
hätte sich wieder gesammelt und käme wieder zurück. 
Was der Feind nur allein an Pulver und Munition verlassen, stehet für eine 
Million nicht zu bezahlen. Unser Troß hat unüberlegter Weise an etlichen Orten das 
Pulver angesteckt, das erschrecklich anzuhören gewesen, jedoch ohne besonderen 
Schaden abgelaufen ist. Der Großvezier hat sich mit gänzlichem Verlust seines 
kostbaren Schatzes kümmerlich auf einem Pferde, nur mit einem Rocke angetan, 
retten können, dessen Erbe ich nun geworden bin, was auf folgende Weise zugegangen: 
Indem ich in des Feindes Lager gedrungen und immerzu, den Vezier zu 
verfolgen, vorwärts geeilet, ergab sich an mich einer von seinen Kämmerlingen, 
der mir nachher seines Herrn Zelt gewiesen, dessen Umfang ich so groß befunden, 
als Warschau oder Lemberg in seinen Mauern sein mag. Das Feldzeichen, das 
mit sonderbaren Zeremonieen dem Großvezier pfleget vorgetragen zu werden, ist 
mir dabei zu teil geworden samt dem Mahometischen Banner, womit der Sultan 
ihn zu diesem Feldzug beschenkt hat, und das ich heute nach Rom an J. päpstl. 
Heiligkeit übersendet habe 
Bei unserer Armee sind die schönsten in Gold eingefaßten Säbel und andere 
rare türkische Rüstungen in Menge zu sehen. Die Nacht hat uns überfallen und 
gehindert, daß wir mit der Verfolgung nicht haben fortfahren können. Es ist 
zwar nicht zu leugnen, daß die Feinde sich dennoch tapfer gewehret haben; die 
Janitscharen aber, so in den Laufgräben gestanden, haben das meiste eingebüßt 
und sind auch meistens niedergemacht worden. Dieser Leute Verwegenheit und 
stolzer Mut ist so groß gewesen, daß, während ein Teil mit uns im Felde ge- 
schlagen, der andere auf die Festung gestürmt hat, was sie zwar bei so großer 
1) Die neusten Forschungen haben den Nachweis eines hervorragenden Anteils der 
kaiserlichen und der kurf. sächs. Truppen an dem Siege gebracht.
	        
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