Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Macht wohl haben tun können. Ich rechne die Belagerer ohne die Tataren auf 
300000 Mannt). Der Gezelte werden wenigstens 100000 sein. Von denen nimmt 
ein jeder der Überwinder, was ihm beliebt. Auch die in der Stadt laufen heraus 
und holen nach Gefallen hinweg. Ich glaube, daß sie wohl acht Tage mit Beute- 
machen werden zuzubringen haben. 
Auf der Flucht hat der Feind viele gefangene österreichische Leute, insonder- 
heit Frauen, so nicht mit fortzubringen gewesen, niedergesäbelt, worunter noch 
viele, die von den empfangenen Wunden können geheilt werden 
Ich habe lange mit dem Vezier fechten müssen, der seine ganze Macht auf 
meinen rechten Flügel angeführet, also daß der linke Flügel wenig zu tun gehabt, 
bis sich dieser von seiner Stelle bewegt und mir zu Hilfe gekommen ist. 
Heute früh bin ich in der Stadt gewesen und habe befunden, daß sich solche 
kaum über fünf Tage hätte mehr halten können. Niemals ist so große, in kurzer 
Zeit gefertigte Arbeit mit Menschenaugen gesehen worden, wie da in Zubereitung 
der Minen gewaltige Steine und Felsen durchbrochen und über Haufen geworfen 
sind. Die kaiserliche Burg ist von den Stückkugeln ganz durchlöchert und verderbet. 
Es waren um mich her der Kurfürst von Bayern, der Fürst von Waldeck und 
viele andere Reichsfürsten, die mich umhalseten und küsseten. Heute früh kam der 
Kurfürst von Sachsen samt dem Herzog von Lothringen zu mir, mit denen ich 
gestern nicht habe sprechen können, weil sie auf der äußersten Spitze des linken 
Flügels gestanden. Endlich kam der Befehlshaber der Stadt Wien, Graf von 
Stahremberg, mit vielem Volk hohen und niedrigen Standes mir entgegen. Jeder- 
mann hat mich geherzt, geküßt und ihren Erlöser genannt. Hierauf habe ich zwei 
Kirchen besucht, da ich ebenfalls nicht wenig Leute angetroffen, die sich bemüheten, 
mir die Hände, ja Füße und Kleider zu küssen; die meisten mußten zufrieden sein, 
daß sie nur den Rock anrühren konnten. Sie erhoben zusammen ein Jubelgeschrei; 
ich habe aber die deutschen Offiziere gebeten, daß solches möchte verwehret 
werden. Dessenungeachtet aber hat dennoch ein großer Haufen überlaut gerufen: 
Es lebe der König! 
Der eroberten feindlichen Fahnen und Zelte ist ein großer Haufen; in 
Summa: der auf die Flucht gebrachte Feind hat nicht mehr behalten als das 
bloße Leben. Dessen erfreue sich nun die Christenheit und danke Gott dem Herrn, 
daß er den Ungläubigen nicht hat zugelassen, uns Hohn zu sprechen und zu 
fragen: „Wo ist nun euer Gott?“ 
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Ludwig XIV. gegen die Hugenotten. 
1685. 
Quelle: Erlaß Ludwigs XIV., betreffend Aufhebung des Ediktes von 
Nantes. 18. Oktober 1685. 
Ülbersetzung: Sander, Die Hugenotten und das Edikt von Nantes. Breslau 1885. S. 285—287. 
Ludwig, von Gottes Gnaden König von Frankreich und von Navarra, allen 
Gegenwärtigen und Zukünftigen Gruß! Der König Heinrich der Große, unser 
Großvater glorreichen Andenkens, von dem Wunsche geleitet, zu verhindern, daß 
1) Die Mitteilungen des K. u. K. Kriegsarchivs (1883, Heft 2 u. 3) berechnen die 
Gesamtstärke des türkischen Heeres auf 138000 Mann.
	        
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