Hinter den Kulissen. 115
Oie serbischen Treibereien gehen auf eine lange Reihe
von Jahren zurück. In besonders markanter Form trat der
großserbische Chauvinismus während der bosnischen Krisis in
die Erscheinung. Nur der weitgehenden Selbstbeherrschung
und Mäßigung der Osterreichisch- Ungarischen Regierung und
dem energischen Einschreiten der Großmächte war es zuzu-
schreiben, wenn die Provokationen, welchen Österreich-Ungarn
in dieser Zeit von seiten Serbiens ausgesetzt war, nicht zum
Konflikte führten. Die Zusicherung künftigen Wohlverhaltenz,
die die Serbische Regierung damals gegeben hat, hat sie nicht
eingehalten. Unter den Augen, zum mindesten unter still-
schweigender Duldung des amtlichen Serbiens hat die groß-
serbische Propaganda inzwischen fortgesetzt an Ausdehnung
und Intensität zugenommen; auf ihr Konto ist das jüngste
Verbrechen zu setzen, dessen Fäden nach Belgrad führen.
Es hat sich in unzweideutiger Weise kundgetan, daß es weder
mit der Würde, noch mit der Selbsterhaltung der österreichisch-
Ungarischen Monarchie vereinbar sein würde, dem Treiben
jenseits der Grenze noch tatenlos zuzusehen, durch das die
Sicherheit und die Integrität ihrer Gebiete dauernd bedroht
wird. Bei dieser Sachlage können das Vorgehen sowie die
Forderungen der OÖsterreichisch-Ungarischen Regierung nur als
gerechtfertigt angesehen werden. Trotzdem schließt die Haltung,
die die öffentliche Meinung sowohl als auch die Regierung
in Serbien in letzter Zeit eingenommen hat, die Befürchtung
nicht aus, daß die Serbische Regierung es ablehnen wird,
diesen Forderungen zu entsprechen, und daß sie sich zu einer
provokatorischen Haltung Österreich-Ungarn gegenüber hin-
reißen läßt. Es würde der ÖOsterreichisch-Ungarischen Regierung,
will sie nicht auf ihre Stellung als Großmacht endgültig Ver-
zicht leisten, nichts anderes übrigbleiben, als ihre Forderungen
bei der Serbischen Regierung durch einen starken Druck und
nötigenfalls unter der Ergreifung militärischer Maßnahmen
durchzusetzen, wobei ihr die Wahl der Mittel überlassen
bleiben muß.
Ew. usw. beehre ich mich zu ersuchen, sich in vorstehendem
Sinne (dem derzeitigen Vertreter des Herrn Viviani) (Sir
Edward Grey) (Herrn Ssasonow) gegenüber auszusprechen
und dabei insbesondere der Anschauung nachdrücklich Aus-
druck zu verleihen, daß es sich in der vorliegenden Frage um
eine lediglich zwischen Österreich-Ungarn und Serbien zum