Hinter den Kulissen. 191
Entrüstung hierüber, die ich völlig teile, ist in Rußland
ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald dem
Druck, der auf mich ausgeübt wird, nicht mehr
werde widerstehen können und gezwungen sein
werde, Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege führen
werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer
Krieg sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im
Namen unfserer alten Freundschaft, alles Dir
Mögliche zu tun, um ODeinen Bundesgenossen davon
zurückzuhalten, zu weit zu gehen. gez. Nilolaus.
O. Wb. 22: Der Kaiser an den Zaren.
29. Juli 6.30 p. m.
Ich habe ODein Telegramm erhalten und teile
Deinen Wunsch nach Erhaltung des Friedens. Jedoch
kann ich — wie ich Dir in meinem ersten Telegramm
sagte — Osterreich-Ungarns Vorgehen nicht als
„schmählichen Krieg“ betrachten. Österreich-Ungarn
weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Verfsfpre-
chungen, wenn sie nur auf dem Papier stehen, gänz-
lich unzuverlässig sind. Meiner Ansicht nach ist
Osterreich-Ungarns Vorgehen als ein Versuch zu be-
trachten, volle Garantie dafür zu erhalten, daß Ser-
biens Versprechungen auch wirklich in die Tat umge-
setzt werden. In dieser Ansicht werde ich bestärkt
durch die Erklärung des österreichischen Kabinetts, daß
Osterreich-Ungarn keine territorialen Erobe-
rungen auf Kosten Serbiens beabsichtige. Ich meine
daber, daß es für Rußland durchaus möglich ist,
dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber in der
Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa
in den schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es
jemale erlebt hat. Ich glaube, daß eine direkte Ver-
stämdigung zwischen Deiner Regierung und Wien mög-
Helmole, Der Welckrieg. 13