274 Hinter den Kulissen.
In einer Unterredung mit dem französischen
Kollegen und mir setzte Ssasonow auseinander: eine
Beherrschung Serbiens durch Österreich sei
für Rußland ebenso unerträglich wie eine Abhängig-
keit der Aiederlande von Deutschland für Großbritan-
nien. Das sei tatsächlich für Rußland eine Frage von
Leben und Tod. Österreich behandle Rußland mit
Hohn (das war eine bewußte Verdrehung im Ver-
trauen auf die deutsche Hilfe. Ob Oeutschland die Be-
stimmungen des Wiener AUltimatums vorber gekannt
habe oder nicht, sei eine Sache geringerer Wichtigkeit.
Es habe Pech mit seiner Vertretung in Wien und in
Petersburg. v. Tschirschkp sei ein heftiger Russen--
feind, und Graf Pourtales habe nach Berlin ge-
meldet, Rußland werde niemals in den Krieg ziehen.
Er, Ssasonow, sei müde von den unaufbörlichen
Mühen um Erhaltung des Friedens (wir haben ge-
sehen, daß gerade er es gewesen war — vglI. Br. Wb.
Kr. 17, 44, 47 —, der schon in der serbischen
Phase des Konflikts dringend die englische Hilfe
nachgesucht und damit den Weltkrieg herauf-
beschworen hatte). Das Scheitern aller Vorschläge
und Anregungen (71 man erinnere sich nur des bis
zuletzt fast erfolgreichen Telegrammwechsele Zar-
Kaiserl) habe Rußland genötigt (1), zu mobilisieren.
Aun habe die deutsche Mobilisierung die Lage ver-
zweifelt gestaltet. Aber auf keinen Fall werde Ruß-
land als erstes mit den Feindseligkeiten beginnen (ogl.
Br. Wb. Ar. 14.
r
Die unfreiwillige, aber um so überzeugender
wirkende Selbstanklage Ssasonowe, der zu spät
sieht, was er mit seiner Nachgiebigkeit gegenüber der
Großfürstenclique angerichtet hat.