Die innere Entwicklungsgeschichte des Dreiverbandes. 43
Das geschah auf mannigfache Weise: durch Begeg-
nungen und Besprechungen, durch Spionage und
Berichterstattung, durch geheime gegenseitige Unter-
stützung und offenes Eintreten füreinander. Oiesem
Spstem gegenüber hatten die Diplomaten des Orei-
bunds einen schweren Stand. Man darf auch heute
nicht vergessen, daß der Pazifismus auesgerechnet im
Laufe des ersten Jahrzehnts des zwanzigsten Jahr-
hunderts aus der Aschenbrödelrolle mählich beran-
wuchs und sich ziemlich beherrschende Stellung zu er-
obern verstand. In diesen rauhen Monaten ist man
wenig geneigt, ihm gerecht zu werden; aber das wird
ihm auch der grimmigste Chauvinist kaum abstreiten
wollen: er steigerte das Verantwortlichkeitsgefühl.
Wenn auch der nüchterne Staatemann, der nicht mit
weichen Gefühlen, sondern mit harten Tatsachen zu
rechnen gewöhnt ist, weit entfernt war, sich der holden
Hoffnung auf einen allgemeinen Frieden auch nur für
Augenblicke hinzugeben, so war man doch, in der mittel-
europäischen Mächtegruppe zumal, geneigt, eben „um
des lieben Friedens willen“ es an Versuchen nicht
fehlen zu lassen, mit den Gegnern Fühlung zu behalten
und offenbare Unfreundlichkeiten nicht tragisch zu
nehmen. So lag der deutschen Regierung dauernd an
einem leidlich guten Verhältnisse zu Rußland (wir
werden unten, beim Streifen des Jahres 1910, davon
zu sprechen haben); deehalb hielt sie darauf, daß Wien
im Laufe des Jahres 1909 den abgerissenen Draht mit
Petersburg wieder anknüpfte. Und da anderseits
Kaiser Wilhelm eifrig dahin strebte, zu England min-
bestens einen modus vivendi zu finden, so waren ihm
englische Annäherungsversuche an Österreich-Ungarn
(die freilich uneingestanden das Ziel verfolgten, Kaiser
Franz Josephs Räte womöglich von der deutschen