Oie innere Entwickllungsgeschichte des Oreiverbandes. 53
der am 14. Zuni bei Spithead eine 345 Schiffe und
80 000 Seeleute umfassende Flottenparade vorgeführt
werden sollte, beredt Ausdruck: Gewaltig sei diese
Armada, aber immer noch unzulänglich. England
werde Dreadnoughts bauen, solange es noch einen
Sbilling zu ihren Kosten, einen Mann für ihre Be-
satzung habe (man beachte die charakteristische Reihen-
folge). Trotz des Fehlens einer Frage, die sonst zum
Kriege führe, trotz des Mangels an Gründen zu Rei-
bereien rüste ganz Europa. Oiese Ruhe vor dem
Sturme habe etwas Erschreckendes. Auch Winston
Cpurchill, damals noch Handeleminister, sprach am
11. Juni vor den Pressevertretern von der beäng-
stigenden Stille, die großen Katastrophen vorausgehe,
von Zeiten der Sorge und der Panik, vom Vorabend
eines Zusammenbruchs und vom Nand eines furcht-
bar gähnenden Abgrunds: Anzeichen, denen man mit
eisernen Nerven begegnen müsse. Großbritannien
erblickte diese Abhilfe im Steigern der Zahl und der
Größe seiner Kriegsschiffe sowie in der Beschleunigung
des Bautempos. Diesem Rüstungefieber gegenüber,
dem die andern Staaten notgedrungen ihre Kon-
zessionen machten, batten die Verständigungspolitiker
je länger desto mehr einen schweren Stand. Und was
half es, wenn Dr. Lunn am 15. Dezember 1909 in
Boston die Menschheit darüber aufklärte, er wisse es
aus dem Mund eines kernfesten Mannes, dem des
Prinzen Heinrich von Preußen, daß die aufpeitschende
Behauptung, allabendlich werde auf den deutschen
Kriegsschiffen der Trinkspruch ausgebracht: „Oer
Tag!“ (an dem die deutsche Flotte die britische in der
Nordsee besiegen werde), von Anfang bis zu Ende eine
unsinnige Lüge sei? Oie britische Marine glaubte an
diese, gegenwärtig durch Ernst Lissauers temperament-