54 Oie innere Entwicklungogeschichte des Dreiverbandes.
volles „Haß“-Gedicht und seine Ubersetzung ins Eng-
lische ungusrottbar gemachte Legende steif und fest
weiter. Konnte sie sich doch auf die Gepflogenheit
ihrer eigenen Minister berufen, die jede, aber auch
jede Verstärkung der Marine in allen diesen Jahren
mit Berufung auf das angeblich gefahrdrohende
Wachstum einzig und allein der deutschen Flotte zu
begründen suchten. So konnte das von den maßgeben-
den Kreisen Deutschlands immer wieder ausgestreute
und liebevoll gehegte Saatkorn des auf gegenseitiger
Achtung beruhenden Vertrauens natürlich nicht ge-
deihen. Oie Oistel des Hetzworts von der heraufkommen-
den „deutschen Hegemonie“ überwucherte und erstickte es.
Die Nachwehen des Kaiserlichen Novembersturms
von 1908 hatten Mitte Juli 1909 der Kanzlerschaft
Bülows ein vorzeitiges Ende bereitet. ODie damit
unfehlbar zusammenhängende einstweilige Unsicher--
beit in der politischen Gruppierung brachte eine vorüber-
gehende Abschwenkung IStaliens mit sich, das dem
durch die unfreiwillig geduldete Annexion Bosniens
verwundeten Rußland gewissermaßen auf halbem Wege
begegnete. Denn dieser Schritt Österreich-Ungarns
hatte auch das italienische Mißtrauen insofern geweckt,
als Rom seit langem eifersüchtig darüber gewacht
hatte, daß sich ÖOsterreich-Uungarn am Balkan nicht
„au deld de Mitrovitza“ vergrößere '); und obgleich
Freiherr von Aehrenthal zur Kundgebung seiner A#b-
neigung gegen den ihm zugemuteten „Vormarsch auf
Saloniki“ die freiwillige Räumung des Sandschaks
Novibazar gleichzeitig verfügt (und am 28. Oktober
durchgeführt) hatte, ließ sich JZtalien damals nicht von
dem Argwohn abbringen, daß Wien eine unbequeme
*) Vgl. bierzu v. Sosnoskys „Balkanpolitik“ D, S. 268.