Oie innere Entwidlungsgeschichte des Oreiverbandes. 57
den schon damals geäußerten Wünschen Oeutschlands
nach Berücksichtigung seiner persischen Interessen num-
mehr näherzutreten. Am 4. November 1910 war Zar
Nikolaus II. in Wildpark eingetroffen, und am Tage
darauf war zu Oranienburg eine Hofjagd abgehalten
worden. Oaraufhin hatte zwar Minister Ssasonow
(seit Ende September Iswolskis Nachfolger) noch vor-
sichtig betont, daß von einem Bestreben, Rußland zu
anderen politischen Kombinationen (als dem Bündnis
mit Frankreich und dem Einvernehmen mit England)
binüberzuziehen, keine Rede sein könne; es sollten
nur Deutschlands Interessen, die mit der Bagdadbahn
verbunden seien, gewahrt werden. Aber schon am
10. Dezember 1910 faßte der deutsche Reichskanzler
v. Bethmann Hollweg das Ergebnis der Potedamer
Begegnung dahin zusammen: es sei von neuem
festgestellt worden, daß „sich beide Regierungen in
keinerlei Kombination einlassen, die eine aggressive
Spitze gegen den andern Teil haben könnte“. Von
Deutschland war dies für den Balkan und für Persien
sicher ehrlich gemeint — nicht aber von Rußland.
Denn der von Bethmann geprägte Wortlaut vom
Wesen und Inhalt des Potsdamer Protokolls wurde
von dem verantwortlichen Leiter der äußeren Politik
Rußlands, entgegen dem diplomatischen Gebrauche,
niemals wiederholt, sondern nur von der oppositionellen
Presse Petersburgs verwertet, so oft es galt, dem
diplomatischen Beamtenkörper an der Sängerbrücke
eins anzuhängen, als ob er zu sklavisch in deutschen
Geleisen einherwandle und, was es von versteckten
Bosheiten in dieser Richtung noch geben mochte.
Dafür wurde unterm 19. August 1911 ein Abkommen
Rußlande mit Deutschland über Persien und die
Bagdadbahn veröffentlicht, das nur die russische Ver-