78 Ole innere Entwicklungsgeschichte des Oreiverbandes.
vor Ablauf der gegenseitigen Verpflichtungen und
erweiterte sie, wenn wir recht unterrichtet sind, zeit-
gemäß und zweckentsprechend durch Berücksichtigung der
neuen afrikanischen Interessen Italiens unterm 5. Oe-
zember 1912. Fatal daran war nur das eine (damals
kaum beachtet), daß die Pariser Presse die ohne Zweifel
ostentativ frühzeitige Erneuerung sofort mit dem An-
denken an Delcassés Worte vom 3. Juli 1902 bediente,
daß Italien ja in keinem Falle Werkzeug oder Gehilfe
eines Angriffs auf Frankreich werden könne. So war
in der Tat der Dreibund nie gemeint gewesen. Aber
seine Gründer und Ergänzer hatten dabei den einen
Fall (der dann leider zur Wirklichkeit werden sollte)
außer acht gelassen: daß einer der beiden Partner
durch Herausforderungen schlimmster Art gezwungen
sein könnte, aus der jahrzehntelang beobachteten
Defensive heraus wider seinen Willen und in Not-
wehr zur Kriegserklärung zu verschreiten.
Lichtsdestoweniger erfaßte die deutsche Reichs-
regierung die augenscheinliche Verschärfung der inter-
nationalen Lage richtig und beantwortete sie mit der
großen Heeresvorlage von 1915. Es war ja nicht bloß
der Umsturz der Dinge am Balkan, womit allein die
Verstärkung der deutschen Armee gut und gerne
gerechtfertigt werden konnte, sondern dazu kam auch
eine Reihe beunruhigender Erscheinungen, wie die
Wahl des ehrgeizigen Premiers Poincaré zum Prä-
sidenten der Republik, die Sendung Oelcassés nach
Petersburg, die beleidigende Aichtaufnahme der be-
sonderen Mission des Prinzen Hohenlohe durch den
Zaren, die Wiedereinführung der dreijährigen Oienst--
zeit in Frankreich und die Einbehaltung des Jahr-
gange 1910, die Manöver-, Gesandten- und Geschwader-
fahrten kreuz und quer. Kurz: die Atmosphäre war mit