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sein. Dass die Beantwortung dieser Vorfrage lediglich
im pflichtmässigen Ermessen des Kaisers steht, bedarf
‚hierbei wohl kaum der Erwähnung, wie ja überhaupt in
jeder Frage, die der Kaiser verfassungsgemäss zu prüfen
hat, sein Entscheid der Entscheid der ersten und letzten
Instanz ist.
Was nun die Beschlüsse des Bundesrats betrifft, so
wird der Kaiser die Beobachtung der Art. 5 und 78 zu
untersuchen haben. Eine Prüfung der Beobachtung von
Art. 6 — ob auch jeder Bundesstaat mit der ihm dort
zugesprochenen Anzahl Stimmen gestimmt hat — sowie
von Art. 7, Abs. 3 — ob den dort gegebenen Stimm-
wertungsvorschriften, wenn ich so sagen darf, Genüge
geschehen ist — dürfte nicht stattfinden. Denn zufolge
des von Brie und Schulze konstatierten Gewohnheitsrechts
steht die Feststellung des Stimmresultates dem Bundes-
rate allein zu. Hätte nun der Kaiser die Abstimmungen
der einzelnen Bundesstaaten zu prüfen, so läge darin
eine Nachprüfung der Frage nach der tatsächlichen
Majorität. -— Wenn nun auch die Frage, ob die eine oder
die andere Meinung tatsächlich die Majorität im Bundes-
rate gehabt hat, zufolge des bezeichneten Gewohnheits-
rechts vom Bundesrat selbst „endgiltig“ zu beantworten
ist, so unterliegt, wie auch Brie hervorhebt,') die Unter-
suchung, ob einfache oder qualifizierte Majorität, zu dem
Zustandekommen des einzelnen Beschlusses erforderlich
war, gleichwohl dem Ermessen des Kaisers. M. a. W.:
der Kaiser hat festzustellen a) gemäss Art. 5, ob der in
Rede stehende Gesetzesvorschlag das Militärwesen oder
die Kriegsmarine oder eine der in Art. 35 genannten
Reichsverbrauchsabgaben betrifft, und ob beim Vorhanden-
sein einer Meinungsverschiedenheit die sich für Auf-
rechterhaltung der bestehenden Vorschriften erklärenden
preussischen Stimmen den Ausschlag gegeben haben,
b) ob der ihm vorgelegte Gesetzentwurf als eine Aenderung
der Verfassung anzusehen ist, gegebenen Falles, ob nicht
1) Brie a. a. O. Anm. 193: „Diese tatsächliche Feststellung ist
wohl zu unterscheiden von der Rechtsfrage, welche Majorität
erforderlich ist“.