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politischen Bestrebungen der Sozialdemokratie sind hierfür ein schlagen-
des Beispiel. Die Arbeiter, die an der Umwandlung der einen Pro-
duktionsweise in die andere das größte Interesse haben, sollen dahin
wirken, daß die dialektische Entwicklung der Okonomie eine Beschleu-
nigung in der Richtung nimmt, die zum Untergang des Kapitalismus
führt. Im speziellen sollen sie dahin wirken, daß die Expropriation
durch einzelne Kapitalisten und damit eine weitgehende Proletarisierung
zunimmt. Am Ende soll auch dann noch die Gewalt eine revolutionäre
Rolle in der Weise spielen, daß sie die Geburtshelferin der alten Ge-
sellschaft, die mit einer neuen schwanger geht, ist. Die Gewalt soll das
Werkzeug sein, womit sich die gesellschaftliche Bewegung schließlich
durchsetzt und erstarrte, abgestorbene politische Formen zerbricht.
Nimmt man die Zielstrebigkeit der Sozialdemokratie philoso-
bhisch, so verträgt sie sich überhaupt schlecht mit dem historischen Ma-
terialismus. Denn wenn nach letzterem die kapitalistische Wirtschafts-
weise den Widerspruch als Regation in sich trägt, warum soll dieses für
die sozialdemokratische Wirtschaftsweise anders sein? Oder ist letztere
das „non plus ultra“ des historischen Materialismus, bei dem dieser
in einen unbeweglichen Idealismus umschlägt? D. h. bei dem die
ökonomischen Kategorien zum Stillstand gekommen sind und bei dem
die Einsicht und Urteilsfähigkeit der Menschen wieder zur Geltung
kommen. Die Kulturgeschichte der Menschheit belehrt uns hierüber
doch etwas, anders. Sozialistischer Kommunismus hat bereits zu ver-
schiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten existiert. Woran hat es
nun gelegen, daß diese Wirtschaftsweise, die obendrein noch den An-
forderungen des Christentums gerecht wird, durch eine andere und
zwar weniger christliche abgelöst wurde? Man könnte auch hier sagen,
dieser Kommunismus hat dadurch Fiasko gemacht, weil er den Wider-
spruch als Negation in sich getragen hat und zwar ausgedrückt dadurch,
daß er den Fortschritt nicht hat aufkommen lassen. Und warum hat
er den Fortschritt nicht auffkommen lassen? Sicher nicht, weil sein
innerer Widerspruch dagegen war, sondern einzig und allein, weil die
Menschen für eine solche Wirtschaftsweise geistig und sittlich noch nicht
reif waren. Sie waren eben in philosophischer Beziehung nicht das
Produkt dieser Wirtschaftsweise, sondern die Wirtschaftsweise war um-
gekehrt das Produkt ihrer Einsicht und Urteilsfähigkeit. Sie haben
deshalb die Wirtschaftsweise auch geändert, als sie ihrer Einsicht nicht
mehr entsprach. Dasselbe gilt auch heute noch für den sozialdemokratischen
Kommunismus. Auch hierfür sind die Menschen gegenwärtig weder
geistig noch sittlich reif. Eine wirtschaftliche Gleichheit ist überhaupt
nur denkbar, wenn dieser eine philosophische vorangeht und zwar nicht
eine solche auf niederer Kulturstufe, sondern auf einer hohen, denn nur