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einen gesellschaftlichen Wert hat, d. h. daß es seinen Wert nur in und
durch die Gesellschaft besitzt, infolgedessen gehört es überhaupt nicht
denen, die es gesellschaftlich verwenden können, sondern es gehört der
Gesellschaft, der das vollständige Verfügungsrecht darüber zusteht. Dem
Einzelnen wird unter dem Begriff „Privateigentum“ von der Gesell-
schaft nur eine erwerbbare und vererbbare Dispositionsgewalt über
irdische Güter verliehen, die in der Form der kapitalistischen Wirt-
schaftsweise den Besitzer zu erhöhter Tätigkeit im Dienste des Ganzen
anspornen soll.
Von diesem Standpunkt aus ist es die sittliche Pflicht der Ge-
sellschaft, dafür zu sorgen, daß mit dem Vermögen zum Schaden des
Ganzen kein Mißbrauch getrieben wird, d. h. daß der Reichtum nicht
in den Händen solcher Leute bleibt, dic ihn in unsinniger und unsittlicher
Weise verschwenden und die sich dabei noch von jeder nützlichen Tätigkeit
drücken können. Nicht nur das Produkt der Arbeit gehört der Gesell-
schaft, sondern auch die Arbeitskraft. Die von der Gesellschaft in dieser
Beziehung gewährleistete Freiheit hat inbezug auf die Gesellschaft selbst
nur einen relativen Wert, sie kann also jederzeit den Bedürfnissen der
Gesellschaft entsprechend eingeschränkt werden.
. Wenn der große Reichtum durch steuerliche Abgaben empfindlich
geschmälert wird, so ist dieses sicher kein nationales Unglück, sofern dieses
Geld für werbende Anlagen und innere Kolonisation ausgegeben wird:
auf diese Weise steigert es die Produktion und kommt überhaupt dem
Kapitalismus am letzten Ende wieder zugute. Für die Zukunft einer
Nation ist es überhaupt von der größten Bedeutung, daß sie eine Unter-
schicht mit guter Lebenshaltung und einen wohlhabenden Mittelstand
hat. Wenn der Kapitalismus schließlich das Proletariat zur Voraus-
setzung hat, so gebraucht es ihn auch anderseits als Konfumenten. Vom
Standpunkt der Produktion kommt auch dazu, daß, je mehr Aussicht
der Proletarier und zwar hauptsächlich der in gehobener Lebensstellung
hat, zu Besitz und Eigentum zu kommen, je mehr er sich anstrengt, aus
sich herauszuholen, was möglich ist. D. h. derjenige, der für seinen
eigenen Vorteil denkt und arbeitet, gibt sich mehr Mühe als derjenige,
der für den Vorteil seines Brotherrn tätig ist, ganz abgesehen Vavon.
daß sich in der Unabhängigkeit Kraft und Charakter ganz anders ent-
falten können als in der Abhängigkeit.
Je leichter es ist, zu Besitz und zu einer auskömmlichen Existenz
zu kommen, je geringer find die Sorgen für den Nachwuchs und je mehr
fallen die Gründe fort, diesen zu beschränken. Und da schließlich das
Ansammeln von Reichtum doch nur für eine möglichst unabhängige und
gesicherte Existenz der Nachkommen gelten soll, so wird die Habsucht
und Geldgier schon dadurch gemildert, daß dem Nachwuchs das Er-