Full text: Sozialdemokratie, Christentum, Materialismus und der Krieg.

reichen einer auskömmlichen Existenz von der Allgemeinheit erleichtert 
wird. Es kommt auch ferner dazu, daß der Aufstieg aus den unteren 
Klassen und der Ausgleich mit diesen gefördert wird, wodurch dem 
Kastengeist die Stacheln genommen werden, wodurch überhaupt an 
dessen Stelle ein geläutertes Klassenbewußtsein tritt, das als der Aus- 
druck eines erhöhten Pflichtgefühls und eines stark ausgeprägten Ehr- 
gefühls zu gelten hat. 
Aus Vorstehendem ergibt sich nun von selbst die Frage, ob es bei 
der kapitalistischen Wirtschaftsform, die an sich noch notwendig ist und 
stellenweise mit größeren Mitteln arbeiten muß, erforderlich ist, daß 
sich überhaupt große Kapitalien in einer Hand befinden. Diese Frage 
ist aus verschiedenen Gründen für eine absehbare Zeit noch zu bejahen. 
Vor allen Dingen soll der Erwerb großer Mittel nicht beeinträchtigt 
werden, soweit dieser auf Initiative, Unternehmungslust. Erfindungs- 
geist und angestrengte Arbeit zurückzuführen ist, damit diese Vorzüge 
nicht gelähmt werden, und da es für eine vorteilhafte Betätigung der- 
selben in vielen Fällen notwendig ist, daß der Betreffende unabhängig 
über größere Mittel verfügt. 
Für das Großkapital in einer Hand kommt neben Großindustrie 
und Großhandel hauptsächlich der Großgrundbesitz in Frage. Wenn 
es auch im nationalen Interesse nicht vorteilhaft ist, daß sich viel Groß- 
grundbesitz in einer Gegend befindet, so ist doch anderseits im Interesse 
der großen Städte und der dicht bevölkerten Industriegebiete ein solcher 
überhaupt notwendig, da er deren Ernährung vom vaterländischen 
Grund und Boden gegenüber dem Kleingrundbesitz erheblich erleichtert. 
Es mag ja sein, daß der Kleingrundbesitz, dem mehr menschliche Hilfs- 
kräfte zur Verfügung stehen, den Anbau der Hackfrüchte bevorzugt und 
dadurch relativ mehr Nährwert aus dem Acker herausholt als der 
Großgrundbesitz. Der letztere arbeitet aber wieder mehr mit Ma- 
schinen, so daß er verhältnismäßig weniger Arbeitskräfte und Zugvieh 
beschäftigt, wodurch der Verbrauch bei ihm ein relariv geringerer ist, 
so daß er einen größeren Uberschuß zur Verfügung stellen kann, zumal 
die Arbeitskräfte des Großgrundbesitzers auch eine erheblich geringere 
Lebenshaltung haben als diejenigen der Kleinbauern. Hierauf aber 
näher einzugehen und es mit Zahlen zu belegen, sowie die soziale Be- 
deutung der Großkapitalisten klarzustellen, das überschreitet den Rah- 
men dieser Schrift und soll Aufgabe einer späteren Arbeit sein. 
Für die Großindustrie ist es weniger erforderlich, daß sich größere 
Kapitalien in einer Hand befinden, da hier Aktiengesellschaft und Ge- 
sellschaften mit beschränkter Haftung Unternehmen und Risiko für den 
Einzelnen verringern können. Die Großindustrie, soweit sie durch 
politische Bestrebungen, durch Privatmonopole und Syndikate andere für