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gibt, d. h. man nimmt ihn ganz, oder man lehnt ihn ab; Modifikationen,
Umdeutungen und Verwässerungen läßt er nicht zu. Wie anders der
Idealismus! Dessen metaphysisches Gebiet. ist so groß und dunkel,
daß sich jeder nur einigermaßen Begabte eine eigene Weltanschauung
leisten kann. Man nimmt sich einfach eine philosophische Größe der
Vergangenheit, behauptet an einer Stelle eine Abweichung, was um
so erfolgreicher ist, als es für die Wahrheit doch keine Kriterien gibt,
man kleidet die Abweichung in Worte; bei diesen spart man den
terminus technicus nicht, um das Ganze möglichst unverständlich zu
machen, und man gilt bei einem harmlosen Leserkreis als der tief-
sinnigste und größte Philosoph des Jahrhunderts, von dem ein Kant
noch was lernen könnte. — Unser Materialismus hat aber neben seiner
Einfachheit auch sittliche Grundlagen, die denen drr Kirche in nichts
nachstehen, sondern die auch vielfach mit denen der Kirche überein-
siimmen: die aber den Vorzug haben, nicht nur unserem Gemüts-
bedürfnis zu entsprechen, sondern die sich auch wissenschaftlich recht-
fertigen lassen.
Seine wissenschaftliche Rechtfertigung und Beweiskraft nimmt
der Materialismus aus der Entwicklungslehre, infolgedessen kann man
behaupten, daß die Erkenntnis der Entwicklungstheorie der bedeutendste
Schritt in der Richtung ist, die dahin führt, daß sich der Mensch selbst
erkennt, d. h. in jenes Zeitalter, wo die Welt dort am vollkommensten
ist, wo sich der Mensch befindet, da dieser als ein Abbild der Welt,
d. h. als ein wirklicher Mikrokosmus mit sich auch die Welt erkennt.
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Duqhbruderel von A. W. giafelbt, Oserwieck (Gar)).