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Betrachtet man die wirtschaftliche Entwicklung der Menschheit,
so wird man finden, daß auf der untersten Stufe einfach nur ein ein-
facher Kommunismus, d. h. lediglich ein gesellschaftlicher Kampf ums
Dasein stattgefunden hat. Bei der geringsten Gliederung in Klassen
hat dieser eine fundamentale Umänderung erfahren und zwar dadurch,
daß die Bevorzugten ihre Stellung verteidigen mußten, und daß andere
danach streben konnten, zu den Bevorzugten zu gehören. Mit anderen
Worten: Neben dem gesellschaftlichen Kampf ums Dasein hat innerhalb
der Gesellschaft selbst ein Kampf um das gesellschaftliche Dasein stattge-
funden. Dieser Kampf um das gesellschaftliche Dasein soll im Prinzip
ein Kampf ums Bessersein bedeuten. Daß er dieses nicht immer voll und
ganz ist, sondern daß das Bessersein häufig ein Besserscheinen ist,
das liegt nicht an der Mangelhaftigkeit des Prinzips in seinen Auße-
rungen und Folgerungen, sondern an der Unvollkommenheit der
Menschen, denen es noch an Einsicht und Erfahrung fehlt, das für sich
und seine Nachkommen allein Richtige und Zweckmäßige zu tun.
Der Kampf um das gesellschaftliche Dasein setzt die Ungleichheit
innerhalb der Gesellschaft voraus. Die Ungleichheit ist aber nicht eine
solche der wirtschaftlichen Stellung, sondern eine solche der Köpfe,
d. h. eine Ungleichheit der geistigen Anlagen, der Bildung und des
Intellekts. Die korrespondierende Ungleichheit der wirtschaftlichen
Stellung ist nur die Wirkung der geistigen und nicht umgekehrt.
Faßt man die Wirkung ins Auge, die die geistige und wirtschaft-
liche Ungleichheit mit ihrem Kampf um das gesellschaftliche Dasein her-
vorbringt, so läßt sich nicht übersehen, daß diese darin besteht, nicht nur
seine soziale Stellung zu behaupten, sondern zu verbessern. Dieser Kampf
veranlaßt also den Menschen nicht durch Zwang und bittere Notwen-
digkeit, sondern aus sich selbst das herauszuholen, was möglich ist. Die
Folge davon ist der riesige Fortschritt, dessen sich unser Wirtschaftsleben
und mit ihm unsere Kultur in den letzten Jahrzehnten zu erfreuen hatte.
Die Ungleichheit im obigen Sinne ist also in der gegenwärtigen
Epoche der Menschheitsentwicklung das Fortschrittsprinzip überhaupt.
Sie erhält eine Zugkraft im Menschen lebendig, die in ihrer Wirkung
von einem unermeßlichen Wert für die ganze Menschheit überhaupt ist.
Aber nicht nur in den unteren Klassen, wirkt diese Zugkraft, daß sie
wertvolle Elemente in höhere bringt, sondern auch in den oberen, die
ihre Stellung gegen die Anstürmenden verteidigen müssen.
Wenn die oberen Klassen auch zum Teil mit den gegenwärtigen
Verhältnissen zufrieden sind und die Meinung vertreten, sie in ihrer
geistigen und körperlichen Verfassung seien der Gipfelpunkt der mensch-
lichen Entwicklung, die sie nun als abgeschlossen betrachten und die sie
nun mit allen politischen Mitteln in ihrem gegenwärtigen Stadium