Full text: Sozialdemokratie, Christentum, Materialismus und der Krieg.

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wohl nicht wieder kommen, deshalb wird in Zukunft auf die eine oder 
andere Weise die politische und wirtschaftliche Gestaltung von innen 
heraus kommen, wodurch bei der russischen Volksvermehrung die Mög- 
lichkeit gegeben ist, daß gewaltige Kräfte frei werden. Wenn nun auch 
in Rußland wie in Frankreich bei zunehmendem Wohlstand sicher der 
Verbrauch an Puder und Schminke ein relativ größerer wird als der- 
jenige an Seife, so ist doch nicht anzunehmen, daß die Russen sich auch 
bald das französische Zweikindersystem aneignen. In einer schranken- 
losen Volksvermehrung in Rußland liegt aber die alleinige Gefahr für 
Deutschland und seine Kultur, wenn es in dieser Beziehung zurück- 
bleibt. Nicht allein, daß die Möglichkeit vorliegt, daß uns infolge einer 
fortschrittlichen Entwicklung das Slaventum in Zukunft mit der Waffe 
gewachsen sein kann, sondern wir können auch durch eine friedliche Durch- 
dringung mit slavischen landwirtschaftlichen Kräften auf die Dauer 
den Boden nicht behaupten, wenn die Slaven anfangen, planmäßige 
Siedlungspolitik zu treiben, und sie werden solche mit zunehmender 
Bildung betreiben, da es ihrer Veranlagung am besten Rechnung trägt. 
Die deutsche Politik sollte daher dafür sorgen, daß die deutschen Ele- 
mente um jeden Preis der Landwirtschaft erhalten bleiben, zumal die 
Intensität der Landwirtschaft und damit der Volkswohlstand dadurch 
nicht unwesentlich gesteigert wird. Anderseits ist ein zahlreicher Nach- 
wuchs auf dem Lande nicht eine derartige Last als in den großen 
Städten. Auf dem Lande können sich die Kinder sogar bald im Inter- 
esse ihrer eigenen Entwicklung und zum Segen der Allgemeinheit recht 
nützlich machen. J ·..« , . 
Eine solche Politik ist um so notwendiger, als eine weitgehende 
Demokratisierung sich nach dem Kriege in allen Kulturländern nicht 
mehr aufhalten läßt, und wenn es auch noch weiter Herren= und Herden- 
völker gibt, so läßt sie doch eine nationale Vergewaltigung nicht mehr 
zu, sondern sie wird das nationale Selbstbestimmungsrecht auch inner- 
halb der Grenzpfähle zur Geltung bringen. Auf friedlichem Wege kön- 
nen aber nationale Eroberungen nur mit Durchdringung einer höheren 
Kultur erreicht werden, und wenn das deutsche Volk in dieser Be- 
ziehung seine Bestimmung nicht verkennt und zielbewußt vorgeht, so 
wird es auch auf friedlichem Wege Sieger bleiben. Jedenfalls darf sich das 
deutsche Volk in Zukunft nicht einer internationalen Verbrüderung und 
Versfimpelung hingeben, sondern es muß dahin streben, alle Elemente 
für eine kraftvolle nationale Politik zu gewinnen, die auf wirtschaft- 
lichem und sozialem Gebiet für alle Völker vorbildlich sein muß; für eine 
Politik, die nicht anmaßend aber doch selbstbewußt auftritt und dabei 
unseren Nachkommen diejenige Zukunft sichert, in der das ganze mensch- 
liche Dasein seine Zwerkbestimmung überhaupt findet.