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in den Köpfen der Menschen vorangehen. Die letzte Ursache der Ver-
änderung ist daher idealistischer Natur.
Solange nun diese Nationen sich ihre nationale Eigenart noch
bewahren können, solange hat es noch gute Wege mit einer internatio-
nalen Gleichheit und einer darauf basierenden Brüderlichkeit. Es find
also hauptsächlich die Nationen mit niederer Kultur, die den Beweis er-
bringen, daß die letzten Ursachen der menschlichen Entwicklung in den
Köpfen der Menschen zu suchen find, und daß die sozialdemokratische
sogenannte materialistische Auffassung der Geschichte auf falscher Vor-
aussetzung beruht, wofür gerade der letzte Krieg unumstößliche Beweise
herbeigebracht hat. Der sozialdemokratische Zukunftsstaat, der hierauf
basiert und der die Internationalität zur Voraussetzung hat, ist auf
absehbare Zeit nichts weiter als ein wesenloses Traumgebilde.
Eine eigenartige Rolle hat in diesem Kriege das Königreich
Belgien gespielt. Wie es von unseren Gegnern dargestellt wird, ist so-
wohl Belgien als auch England nur in den Krieg hineingezogen, nach-
dem von Deutschland die belgische Neutralität durch einen Durchmarsch
durch belgisches Gebiet verletzt wurde. ,
Da für Deutschland im letzten Kriege seine ganze Existenz auf
dem Spiel stand und da es mit hinterlistigen Gegnern zu tun hatte, so
mußte es auf dem Wege nach Frankreich durch Belgien marschieren und
da Belgien den Durchmarsch nicht gestatten wollte, so mußte letzteres erst
über den Haufen gerannt werden, denn Not kennt kein Gebot. .-
Daß Deutschland dabei unter richtiger Voraussetzung gehandelt
hat, hat sich hinterher bald und zweifelsfrei herausgestellt, indem Bel-
gien und noch mehr England sich von vornherein verpflichtet hatten,
unsere russisch-französischen Gegner auf alle Fälle nach Kräften zu
unterstützen. Es mag ja sein, daß sich die belgische Unterstützung darauf
beschränkt hätte, nur unseren Gegnern den Durchmarsch durch ihr Land
zu gestatten. Immerhin muß der belgische Standpunkt befremden, da
zwischen Deutschland und Belgien weder wirtschaftliche noch politische
Reibungsflächen vorhanden waren.
Der belgische Standpunkt ist nur dahingehend zu verstehen, daß
Belgien vielleicht angenommen hat, Deutschland würde bei einer Aus-
einandersetzung mit Frankreich, Rußland und Englond eo ipso ver-
lieren und ausgeteilt werden und Belgien müßte sich durch Beteiligung
einen Beuteanteil sichern. Oder die Belgier sind durch die militärische
und wirtschaftliche Größe Deutschlands zu Gefühlen des Neides, des
Hasses und der Angst gekommen, denen sie infolge ihrer sozialen und
religiösen Verhältnisse, ihrer Sprache und ihres Geblüts leicht zugänglich
waxen, d. h. soweit der wallonische Teil der Bevölkerung, der ja der
politisch dominierende ist, in Frage kommt.