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Moses hatte den Juden einen nationalen Gott gegeben mit der
Absicht, fie als Nation fest zusammenzuschweißen und sie in ihrer natio-
len Eigenart zusammenzuhalten. Es ist dieses auch bis auf den heu-
tigen Tag gelungen. Es ist aber nicht die Religion in ihrer ethischen
Beziehung, die die Juden noch heute zusammenhält, sondern es ist das
Nationalgefühl, das durch die Religion zum Ausdruck kommt, und daß
sie für das auserwählte Volk Gottes hält. Dieses Nationalgefühl, daß
durch strenge religiöse Vorschriften und Gesetze sowie durch Rasse-
reinheit stark, lebendig und energisch erhalten wird, hat die Juden mit
außergewöhnlicher Zähigkeit und Widerstandskraft alle Verfolgungen
und Heimsuchungen an allen Orten und zu allen Zeiten überdauern
lassen, wofür sie als Belohnung auf die Unterwerfung oder wenigstens
Tributpflichtigkeit der ganzen Welt hofften und, soweit sie gläubig sind,
vielleicht auch noch hoffen.
Einem orientalischen Volk wie die Juden, das im tropischen
Süden beheimatet, ohne Sinn und Trieb für Ackerbau und Landarbeit
überhaupt ist, mußte der Mischmasch einer materialistisch-dualistischen
Weltanschauung bald verhängnisvoll werden. Eine solche Weltanschau-
ung kann nur zu einem ungesunden Egoismus führen oder ist über-
haupt die Folge eines solchen. Ein gesunder Egoismus strebt nur
nach den Früchten seiner eigenen Tätigkeit und zwar subjektiv und
objektiv, d. h. er verläßt sich auf sich selbst. Ein ungesunder hingegen
strebt nach den Früchten der Tätigkeit anderer, d. h. er verläßt sich auf
Gott, seinen Nächsten und seine geistige Uberlegenheit. Das letztere
führt zu Reichtum, aber auch zur Verkümmerung des Körpers, so daß
dem Menschen auf die Dauer doch schließlich nur das zugute kommt,
was er sich selbst erwirbt. Die Juden waren hierfür ein typisches Bei-
spiel. Obwohl sie als orientalisches Volk von Natur grausam waren,
so waren sie doch wenig kriegerisch veranlagt, da ihnen die Scheu vor
körperlicher Anstrengung immerhin ein Gefühl der Schwäche verursachte.
Und in ihrer ganzen Entwicklung konnten sie, abgesehen von der kurzen
Zeit der Könige, zu keiner rechten politischen Bedeutung kommen, son-
dern sie kamen umgekehrt aus einer Abhängigkeit in die andere. In
diesem Sinne dürfte es wohl leicht verständlich sein, daß es notwendig
war, um überhaupt die jüdische Nation als solche zu erhalten, daß alle
großen und kleinen Propheten ihr für die Zukunft einen Messias ver-
sprechen mußten, der ihnen zur Not mit Legionen von Engeln und
himmlischen Heerscharen die Welt erobern sollte. Dieser von den
Propheten verheißene Messias mußte von ihrem König David abstam-
men, denn unter letzterem hatte das Judentum als Nation seine Glanz-
zeit verlebt, infolgedessen war er ihr Nationalheros, der nur allein be-
rufen sein konnte, in einem Nachkommen als Messias ihnen die heiß-