Full text: Sozialdemokratie, Christentum, Materialismus und der Krieg.

90 
Willensfreiheit für die Erfüllung und empfängt dementsprechend in 
der Ewigkeit Lohn oder Strafe. Schließlich hat Irenäus auch das 
bestimmt ausgeprägte Taufbekenntnis als apostolische Wahrheitsregel 
proklamiert. 
Tertullianus, der wesentlich dasselbe vertritt als Irenäus, ist 
aber betreffs der philosophischen Spekulation, deren Freiheit Irenäus 
nur beschränken will, noch weiter gegangen. Er will diese überhaupt 
aus dem Christentum ausscheiden, da sie nach ihm die Mutter der 
Ketzerei ist. 
Gegenüber der auch von Irenäus und Tertullianus verteidigten 
Trinität Gottes sind noch die Monarchianer zu erwähnen, die eine 
Trinität als unvereinbar mit dem alt= und neutestamentlichen Mono- 
theismus betrachteten. Nach ihrer Ansicht ist Gott der Alleinherrscher, 
während der Sohn und heilige Geist nur Modi seines Wesens oder 
seiner Offenbarung und dem Vater untergeordnet sind. Diese Ansicht 
hat später im Arianismus seine kirchliche Erledigung auf dem Konzil 
zu Nicäa gefunden. Theoretisch war sie im Sinne der Kirche aber 
schon abgetan durch die Philosophie des Clemens von Alexandrien und 
des christlichen Origenes. 
Origenes hat als erster System in die Philosophie des Christen- 
tums gebracht; er hat dem Christentum mit viel Erfolg eine philosophi- 
sche Grundlage im griechisch-jüdischen Sinne gegeben, wobei er sich auch 
die berechtigten Elemente des Gnostizismus, den er im übrigen heftig 
bekämpft, angeeignet hat, so daß er für die Entwicklung des kirchlichen 
Lehrsystems mit maßgebend und von großer Bedeutung geworden ist. 
Nach Origenes sind die heiligen Schriften von Gott inspiriert; sie 
enthalten also Gottes Wort oder seine Offenbarungen und zwar wird 
uns dieses dadurch gewiß, daß wir beim Lesen derselben vom Wehen 
des heiligen Geistes berührt werden. Das alte Testament ist erst durch 
das neue enthüllt worden, hingegen wird das neue durch die Wieder- 
kunft Christi enthüllt; es wird sich dann in ein ewiges Evangelium 
verwandeln. 
Gott ist nach Origenes ein rein geistiges Wesen und eine körper- 
lose Einheit, die nur als solche unveränderlich gedacht werden kann, 
denn alles Materiale ist veränderlich. Gott hat aus nichts die Welt 
gemacht und gut geschaffen und ist als Urheber des alten und neuen 
Testaments der Gesetzgeber und Vater Jesu Christi, des durch den 
heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geborenen und durch freiwillige 
Selbsterniedrigung menschgewordenen Sohnes. Gott ist aber nicht 
ohne Maß und Grenze, sondern er ist sich selbst begrenzend, da sich das 
schlechthin Unbegrenzte selbst nicht fassen könnte. Von Gott dem Vater 
wird der Sohn erzeugt, aber nicht als wesensgleicher Gott, sondern als