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Willensfreiheit für die Erfüllung und empfängt dementsprechend in
der Ewigkeit Lohn oder Strafe. Schließlich hat Irenäus auch das
bestimmt ausgeprägte Taufbekenntnis als apostolische Wahrheitsregel
proklamiert.
Tertullianus, der wesentlich dasselbe vertritt als Irenäus, ist
aber betreffs der philosophischen Spekulation, deren Freiheit Irenäus
nur beschränken will, noch weiter gegangen. Er will diese überhaupt
aus dem Christentum ausscheiden, da sie nach ihm die Mutter der
Ketzerei ist.
Gegenüber der auch von Irenäus und Tertullianus verteidigten
Trinität Gottes sind noch die Monarchianer zu erwähnen, die eine
Trinität als unvereinbar mit dem alt= und neutestamentlichen Mono-
theismus betrachteten. Nach ihrer Ansicht ist Gott der Alleinherrscher,
während der Sohn und heilige Geist nur Modi seines Wesens oder
seiner Offenbarung und dem Vater untergeordnet sind. Diese Ansicht
hat später im Arianismus seine kirchliche Erledigung auf dem Konzil
zu Nicäa gefunden. Theoretisch war sie im Sinne der Kirche aber
schon abgetan durch die Philosophie des Clemens von Alexandrien und
des christlichen Origenes.
Origenes hat als erster System in die Philosophie des Christen-
tums gebracht; er hat dem Christentum mit viel Erfolg eine philosophi-
sche Grundlage im griechisch-jüdischen Sinne gegeben, wobei er sich auch
die berechtigten Elemente des Gnostizismus, den er im übrigen heftig
bekämpft, angeeignet hat, so daß er für die Entwicklung des kirchlichen
Lehrsystems mit maßgebend und von großer Bedeutung geworden ist.
Nach Origenes sind die heiligen Schriften von Gott inspiriert; sie
enthalten also Gottes Wort oder seine Offenbarungen und zwar wird
uns dieses dadurch gewiß, daß wir beim Lesen derselben vom Wehen
des heiligen Geistes berührt werden. Das alte Testament ist erst durch
das neue enthüllt worden, hingegen wird das neue durch die Wieder-
kunft Christi enthüllt; es wird sich dann in ein ewiges Evangelium
verwandeln.
Gott ist nach Origenes ein rein geistiges Wesen und eine körper-
lose Einheit, die nur als solche unveränderlich gedacht werden kann,
denn alles Materiale ist veränderlich. Gott hat aus nichts die Welt
gemacht und gut geschaffen und ist als Urheber des alten und neuen
Testaments der Gesetzgeber und Vater Jesu Christi, des durch den
heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geborenen und durch freiwillige
Selbsterniedrigung menschgewordenen Sohnes. Gott ist aber nicht
ohne Maß und Grenze, sondern er ist sich selbst begrenzend, da sich das
schlechthin Unbegrenzte selbst nicht fassen könnte. Von Gott dem Vater
wird der Sohn erzeugt, aber nicht als wesensgleicher Gott, sondern als