Full text: Die direkten Staatssteuern im Königreich Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensteuer.

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Schätzung des im bevorstehenden Jahre mutmaßlich zu er- 
wartenden Einkommens bei neu entstandenen Quellen einzu- 
treten hat, unterliegt schweren Bedenken. „Eine hierauf ge- 
richtete Mutmaßung“ — so sagt treffend Fuisting — „ist 
nichts anderes als der Versuch einer zahlenmäßigen Voraus- 
bestimmung der Zukunft, eine Prophezeiung. Wer kann aber 
dem Landmanne den Ausfall seiner Ernte, wer dem Gewerbe- 
treibenden den Erfolg seines neubegründeten Geschäfts vor- 
aussagen? Die Lösung solcher Aufgaben ist unmöglich und 
mit der Stellung derartiger Aufgaben wird bei den Veran- 
lagungsbehörden das Gefühl der Verantwortlichkeit ertötet. 
Wer nach dem Gesetze gezwungen ist, die Zukunft zahlenmäßig 
vorauszubestimmen, schreckt nicht mehr vor den gewagtesten 
Schätzungen zurück.“ 
Daß bei neu eröffneten Gewerbebetrieben die Einschät- 
zungsbehörden leicht eher zu hoch, als zu niedrig einzuschätzen 
geneigt sein werden, läßt sich wohl nicht leugnen. Denn vor- 
zugsweise wird man die im allgemeinen höheren Reinerträge 
schon länger bestehender Geschäfte derselben Art bei der 
Einschätzung zum Anhalt nehmen, während neu gegründete 
Geschäfte aber in der Regel sich erst allmählich :günstiger ge- 
stalten und daher in der ersten Zeit auch niedrigere Reinerträge 
zu erzielen pflegen. Dieser Tatsache hat denn auch das säch- 
sische Finanzministerium durch mehrfache Verordnungen Rech- 
nung zu tragen versucht. So heißt es in der Verordnung vom 
22. Februar 1898 (Mitt. V, S. 357) unter Hinweis auf einige 
in der Praxis vorgekommene Fälle: „Diese und ähnliche Vor- 
gänge rufen leicht beim Publikum die Anschauung hervor, als 
ob das Interesse der Staatskasse allzusehr in den Vordergrund 
gestellt werde. Dieser Anschauung wird vielfach neue Nah- 
rung zugeführt, wenn später an Stelle der schätzungsweisen 
Ermittelung des Einkommens die genaue Berechnung desselben 
auf Grund hinlänglicher ziffernmäßiger Unterlagen Platz zu 
greifen hat, alsdann aber die bisherige Schätzung einer auf- 
fällig niedrigeren Besteuerung weichen muß. Es kommt hinzu, 
daß die Inhaber neuer Einkommensquellen häufig in der ersten 
Zeit mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben 
und deshalb eine starke Steuerbelastung um so schwerer emp- 
finden. Das Finanzministerium findet sich daher veranlaßt, 
anderweit ein schonendes Vorgehen bei der schätzungsweisen 
Ermittelung des Einkommens aus neuen Einkommensquellen zu 
empfehlen.“ — Ob freilich Vorschriften wie vorstehende viel 
nützen werden, bleibt sehr zweifelhaft. 
Ein weiterer Übelstand, der sich aus der Verschiedenheit 
der für die Besteuerung zugrunde liegenden Zeiträume ergibt, 
betrifft namentlich die Lohnarbeiter, worauf bereits Wach- 
ler, der Senatspräsident des sächsischen Oberverwaltungsge- 
Hoffmann, Staatssteuern. 8
	        
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