Full text: Die direkten Staatssteuern im Königreich Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensteuer.

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8. Die Vorschriften über die Aufbringung der Gemeinde- 
anlagen sind behufs tunlichster Abgrenzung des Besteuerungs- 
gebietes einerseits des Staates und andererseits der Gemeinden 
anderweit und zwar nach der Richtung hin zu regeln, daß der 
Mitbenutzung der Steuerquellen des Staates durch die Ge- 
meinden bestimmte Schranken gezogen und zum Ersatze hier- 
für den Gemeinden eigene Steuerquellen eröffnet werden. Hier- 
bei würde namentlich auf Einführung einer Gewerbesteuer als 
kommunale Ergänzungssteuer zur Einkommensteuer Bedacht 
zu nehmen sein (vgl. Dekret Nr. 4, S. 14, 15). | 
In der II. Kammer wurde dieser Antrag (in der Sitzung 
vom 9. Mai 1900) mit großer Mehrheit (mit 64 gegen 6 Stim- 
men) angenommen, in der I. Kammer aber gelangte er infolge 
Landtagsschlusses nicht mehr zur Beratung. 
Die Regierung hielt nun die Zeit für gekommen, dem 
folgenden Landtage (1901/02) mit Dekret Nr. 4 vom 12. No- 
vember 1901 eine Reformvorlage zugehen zu lassen. Die finan- 
ziellen Verhältnisse des Staates hatten sich inzwischen so un- 
günstig gestaltet, daß in dem Staatshaushaltplan für 1902 
und 1903 ein allgemeiner Einkommensteuerzuschlag von 50% 
vorgesehen war. Man erkannte, daß die Aufbringung der er- 
höhten Staatsmittel auf dem Wege bloßer Einkommensteuer- 
zuschläge für die Dauer ein unerträglicher und abnormer Zu- 
stand sei, welcher, „sobald er sich als dauernd erweist, schon 
durch sein Dasein den Beweis liefert, daß die Steuergesetz- 
gebung mit den fortschreitenden Bedürfnissen des Staates nicht 
Schritt gehalten hat“ (Dekret Nr. 4 S. 14). Man stand somit 
vor der dringenden und unaufschiebbaren Notwendigkeit einer 
organischen Steuerreform, um sich eine dauernde Vermehrung 
der Staatseinnahmen aus den direkten Steuern zu sichern. 
Zunächst unterzog die Regierung das Reformprogramm 
Dr. Mehnert-Georgi einer eingehenden Prüfung und gelangte 
dabei zu dem Ergebnis, daß jene Vorschläge zwar in Einzel- 
heiten, aber nicht in den Hauptpunkten annehmbar seien. 
Was die vorgeschlagene Kommunalsteuerreform an- 
langt, so erachtete sie es für angezeigt, diese, so notwendig 
und wünschenswert sie auch sei, von vornherein auszuscheiden, 
um nicht die ohnehin schon schwierige Staatssteuerreform 
noch schwieriger zu gestalten. 
Dagegen stimmte die Regierung dem Vorschlage auf Ab- 
änderung des Einkommensteuertarifs zur Erzielung höherer 
Einnahmen im Prinzipe wohl zu. Sie war aber nicht geneigt, 
diese Abänderung ausschließlich in einer Erhöhung der Pro- 
gression bis auf 5% bei gleichzeitigem Wegfall der Horizontale 
eintreten zu lassen. Sollten nach dem gemachten Vorschlage 
— so führte die Regierung aus — nur die Personen mit einem 
Einkommen über 10000 M. zur Aufbringung des durch die 
Einkommensteuer zu deckenden staatlichen Mehrbedarfs heran- 
Hoffmann, Staatssteuern. 13
	        
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