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Präzipualbelastung des Grundbesitzes unter keinen Umständen
aufgegeben wissen.
„Warum soll“ — so heißt es in der Begründung der Minoritätsanträge
(Ber. I 1901/02 No. 125) — „eine altbewährte, politisch hochwichtige, man
möchte sagen politisch durchaus notwendige Einrichtung wie die Grund-
steuer einer neuen Einrichtung geopfert werden, die nicht einmal von allen
Vertretern der Wissenschaft gebilligt wird, mit der man dort, wo sie ein-
geführt wurde, keineswegs zufrieden ist und die sich noch dazu gar nicht
als besonders einträglich erweist? Wird die Vorlage angenommen, so ver-
bessern sich die Einnahnıen des Staates nur um 31%, Millionen Mark. Ganz
denselben finanziellen Effekt hat ein Einkommensteuerzuschlag von 10 %.
Den Unterzeichneten genügt es nicht, daß das System erhalten bleibe; die
Grundsteuer selbst muß dem Staate erhalten bleiben... ... Bald genug
würden die für den ländlichen Grundbesitz gegebenen Sondervorschriften
als ein Vorrecht des ländlichen Grundbesitzes bezeichnet, bald genug an-
gegriffen und beseitigt werden. Die staatliche Grundsteuer muß zur
Wahrung der Rechte des Grundbesitzes als Vorausbesteuerung, Voraus-
belastung des Grundbesitzes bestehen bleiben. Es kann hier nicht ein-
gehalten werden, daß ja, wenn eine Ergänzungssteuer auf das Einkommen
aus Rentenkapital und gewerblichem Kapital eingeführt werde, der Grund-
besitz doch sowieso nicht mehr vorausbelastet sei. Die ohnehin in schonender
Weise auszuführende Besteuerung jenes Einkommens aus Rentenkapital
und gewerblichem Kapital muß ebenso niedrig eingerichtet werden, daß der
Grundbesitz immer noch vorausbelastet ist. Übrigens wird eine wesentliche
Vorausbelastung des Grundbesitzes stets darin zu erblicken sein, daß die
Grundsteuer selbst von zeitweilig völlig ertraglosem Grundbesitze entrichtet
werden muß und daß bei der Grundsteuer ein Schuldenabzug nicht statt-
findet. Daß infolge des Wegfalls der Grundsteuer höchst unerwünschte
Verschiebungen bei den Wahlen zur Bezirksversammlung und besonders
bei den Landtagswahlen stattfinden würden, kann kaum bezweifelt werden.
Die Gefahr liegt vor, daß das Landtagswahlrecht nach plutokratischer
Richtung, insbesondere durch Beeinträchtigung der zweiten Klasse, un-
günstig beeinflußt wird. Schon aus diesem Grunde dürfte: Beibehaltung der
Grundsteuer geboten sein. Das von der 1I. Kammer beschlossene, von
der Kgl. Staatsregierung nicht beanstandete Auskunftsmittel der Fiktion der
Steucrleistung erscheint den Unterzeichneten unhaltbar, wie denn auch die
I. Deputation dieses Auskunftsmittel einstimmig verworfen und — eben-
falls einstimmig — erklärt hat, daß sie sich sowohl gegen die zeitweilige
als auch gegen die dauernde Aufhebung der Grundsteuer aussprechen müsse,
solange nicht von der Regierung die dadurch bedingten Abänderungen der
verschiedenen auf öffentliche Wahlen bezüglichen Gesetze im Wortlaut vor-
gelegt würden. Ganz abgesehen aber von dieser Frage der Wahlrechts-
verschiebung wollen die Unterzeichneten, wie bereits betont wurde, die
staatliche Grundsteuer als Vorausbesteuerung des Grundbesitzes unter
allen Umständen erhalten wissen.“
Das Reformprogramm, das die Deputationsminderheit
aufstellte, war nun folgendes. An erster Stelle ersuchte sie (A)
die Regierung um die Vorlegung eines Gesetzentwurfes, „durch
welchen unter Beibehaltung der Grundsteuer als Vorausbe-
steuerung des Grundbesitzes eine Ergänzungssteuer auf das
Einkommen aus Rentenkapital und aus gewerblichem Kapital
im Anschlusse an die Einkommensteuer eingeführt werde.“
Ferner beantragte sie eine Revision der Grundsteuerbonitierung
und zwar zunächst in den Städten. Für den Fall aber, daß dieser
Vorschlag (A) nicht angenommen werden sollte, stellte sie den
Eventualantrag (B), „den mittels Kgl. Dekrets Nr. 4 vor-