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die Ermittelung des wirklichen, sondern desjenigen Reinertrags,
der bei „ortsüblicher Wirtschaft, mittlerer Tüchtigkeit und
mittlerer Kapitalausstattung des Wirtschaftenden auf dem ein-
zuschätzenden Grundstücke als solchem im Durchschnitt einer
Reihe von Jahren nachhaltig zu erzielen sein möchte“ (Fr. J.
Neumann). Es sollte also, um es kurz zu sagen, die unter
jenen „mittleren Reinerträgen“ verstandene (Anschlags-)Grund-
rente oder die „natürliche Ertragsfähigkeit“!) des Grund und
Bodens erfaßt werden.?)
„Nach dieser Ertragsfähigkeit“ — so heißt es über
das Abschätzungsverfahren in dem im November 1836 den
Ständen vorgelegten Regierungsdekret?) — ‚werden alle
Grundstücke der nutzbaren Erdfläche gewürdert und nach
den verschiedenen Graden der Nutzbarkeit in gewisse
natürliche, durch äußere und bleibende Kennzeichen des
Bodens unterschiedene Klassen eingeordnet [$ 11%)]. Für
jede dieser Klassen ist im voraus durch ökonomische Be-
rechnung nach Beschaffenheit der Bodengattung und der
zur Bearbeitung derselben erforderlichen Kulturkosten
ein genereller Reinertrag ermittelt worden, welcher erst
nach Erwägung aller äußeren und merkantilischen Ver-
hältnisse, die auf die natürliche Ertragsfähigkeit oder auf
den Reinertrag in Geldwert Einfluß haben, definitiv be-
stimmt und im Roggenwerte ausgesprochen wird (8 11).
Unter diesen Grundzügen der ganzen Abschätzungs-
weise tritt als eigentümliches Merkmal derselben zunächst
die Klassifikation hervor. Sie ist rein ökonomisch, d. h.
auf den Reinertrag oder Nutzungswert des Grundstückes
gegründet und vertritt ganz die Stelle einer speziellen Er-
tragsabschätzung, indem sie den Ertrag des Grundstückes
ohne weitere Berechnung ausspricht. Natürlich mußten
für jede Art des Grundbesitzes, in bezug auf die in Sachsen
vorkommenden Bodengattungen, so viele Klassen festge-
setzt werden als hinreichen, um die Verschiedenheit der
Ertragsfähigkeit dergestalt aufzufassen und zu erschöp-
1) & 4 Abs. 3 der Geschiftsanweisung von 1838 lautet: „Die Ab-
schätzung wird nach der Ertragsfühigkeit und diese nach dem
Rohertrage an Früchten und Nutzungen, welche ein solcher Acker nach
landüblicher Bewirtschaftungsweise liefert, bemessen.“
2) Diese Grundrente, die nicht aus dem landwirtschaftlichen Unter-
nehmereinkommen ausgeschieden werden kann, ist nicht zu verwechseln,
wie es früher namentlich der Fall war, mit der sogen. (Differenzial-)Grund-
rente Ricardos und dessen Schule, wonach diese auf der irrigen Annahme
basierte, daß die Grundrente nur die Differenz zwischen den Erträgen
günstiger und ungünstiger gearteten oder gelegenen Bodens sei. Diese Lehr-
meinung wird schon dadurch widerlegt, daß die Grundsteuer alle, selbst
die schlechtesten Bodenarten trifft.
8) Landt.-Akt. 1836/37, 1. Abt. 1. Bd. S. 674 ff.
4) Die olıne Zusatz angeführten Paragraphen sind die der Geschäfts-
anweisung.