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Prüfung unterwerfen und ein den veränderten Zeitverhältnissen
entsprechendes gerechteres Besteuerungsverfahren ermitteln
zu wollen. Dieser Anregung zufolge legte die Regierung den
Entwurf eines Ergänzungsgesetzes zum Gewerbe- und Personal-
steuergesetz vor.!) Jedoch fand derselbe keine sonderliche
Billigung. Man war eben im Landtage zu der klaren Einsicht
gelangt, daß ein anderer, viel lebendigerer Geist, namentlich
seit Einführung der Gewerbefreiheit (1861) in das Verkehrs- und
Wirtschaftsleben gegenüber früher eingezogen war, und daß
damit das Festhalten an äußeren Merkmalen, an Unterschei-
dungen im Gesetz, die in Wirklichkeit nicht mehr existierten,
für die Dauer unhaltbar sein mußte. Während der Landtags-
verhandlungen stellte daher der Abgeordnete Günther und 40
andere Abgeordnete der II. Kammer den Antrag auf Vorlegung
eines neuen Gewerbe- und Personalsteuergesetzes, sowie eines
abgeänderten Grundsteuergesetzes. Hiermit war denn die
Steuerreformfrage in Fluß gebracht. Auf ständischen Antrag
hin setzte nun die Regierung die sogen. Revisionskommission
nieder, d. h. eine besonders aus Volksvertretern und prak-
tischen Steuerbeamten zusammengesetzte Kommission, die mit
hervorragendem Verständnis für die Sache alle etwa einzu-
schlagenden Reformwege einer sehr gründlichen Prüfung unter-
zog. Es ist beachtenswert, daß diese Kommission sehr bald zu
der Überzeugung gelangte, daß das Ziel der Reform in einer
vollständigen Umgestaltung der direkten Staatssteuern be-
stehen müsse und zwar derart, daß an die Stelle der Gewerbe-
und Personalsteuer eine Einkommensteuer, welche auch das
Einkommen aus Grundbesitz neben einer beizubehaltenden Quote
der Grundsteuer treffe, treten sollte. Da man sich aber über
die Höhe der beizubehaltenden Grundsteuerquote nicht einigen
konnte, gelangte als Ergebnis der Beschluß zur Annahme:
„Das durch Abschätzung gefundene wirkliche Einkommen
der Grundbesitzer ist ebenso wie das der Gewerbetreibenden
einer lediglich auf dieses Einkommen basierten, nach denselben
Grundsätzen wie bei den Gewerben aufgelegten Steuer zu unter-
ziehen, das seitherige Grundsteuersystem dagegen vollständig
aufzuheben, jedoch unter der Voraussetzung, daß diese Steuer
nach einem zu vereinbarenden höheren Satze für den Grund-
besitz als für das Gewerbe aufgelegt werde.“
Die Regierung erklärte sich gegen diesen Reformplan, in-
soweit derselbe auf gänzliche Aufhebung der Grundsteuer ab-
zielte. Sie trat vielmehr dafür ein, die Grundsteuer zu refor-
mieren und sie in reduzierten Sätzen fortzuerheben, daneben
jedoch das aus Grund und Boden wie das aus allen übrigen
Quellen stammende Einkommen mit einer Steuer zu belasten,
die entweder ihrer Natur nach eine Ertragssteuer wie die Ge-
1) Dekret vom 30. Oktbr. 1868.