Full text: Die direkten Staatssteuern im Königreich Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensteuer.

—_ 714 -—- 
Prüfung unterwerfen und ein den veränderten Zeitverhältnissen 
entsprechendes gerechteres Besteuerungsverfahren ermitteln 
zu wollen. Dieser Anregung zufolge legte die Regierung den 
Entwurf eines Ergänzungsgesetzes zum Gewerbe- und Personal- 
steuergesetz vor.!) Jedoch fand derselbe keine sonderliche 
Billigung. Man war eben im Landtage zu der klaren Einsicht 
gelangt, daß ein anderer, viel lebendigerer Geist, namentlich 
seit Einführung der Gewerbefreiheit (1861) in das Verkehrs- und 
Wirtschaftsleben gegenüber früher eingezogen war, und daß 
damit das Festhalten an äußeren Merkmalen, an Unterschei- 
dungen im Gesetz, die in Wirklichkeit nicht mehr existierten, 
für die Dauer unhaltbar sein mußte. Während der Landtags- 
verhandlungen stellte daher der Abgeordnete Günther und 40 
andere Abgeordnete der II. Kammer den Antrag auf Vorlegung 
eines neuen Gewerbe- und Personalsteuergesetzes, sowie eines 
abgeänderten Grundsteuergesetzes. Hiermit war denn die 
Steuerreformfrage in Fluß gebracht. Auf ständischen Antrag 
hin setzte nun die Regierung die sogen. Revisionskommission 
nieder, d. h. eine besonders aus Volksvertretern und prak- 
tischen Steuerbeamten zusammengesetzte Kommission, die mit 
hervorragendem Verständnis für die Sache alle etwa einzu- 
schlagenden Reformwege einer sehr gründlichen Prüfung unter- 
zog. Es ist beachtenswert, daß diese Kommission sehr bald zu 
der Überzeugung gelangte, daß das Ziel der Reform in einer 
vollständigen Umgestaltung der direkten Staatssteuern be- 
stehen müsse und zwar derart, daß an die Stelle der Gewerbe- 
und Personalsteuer eine Einkommensteuer, welche auch das 
Einkommen aus Grundbesitz neben einer beizubehaltenden Quote 
der Grundsteuer treffe, treten sollte. Da man sich aber über 
die Höhe der beizubehaltenden Grundsteuerquote nicht einigen 
konnte, gelangte als Ergebnis der Beschluß zur Annahme: 
„Das durch Abschätzung gefundene wirkliche Einkommen 
der Grundbesitzer ist ebenso wie das der Gewerbetreibenden 
einer lediglich auf dieses Einkommen basierten, nach denselben 
Grundsätzen wie bei den Gewerben aufgelegten Steuer zu unter- 
ziehen, das seitherige Grundsteuersystem dagegen vollständig 
aufzuheben, jedoch unter der Voraussetzung, daß diese Steuer 
nach einem zu vereinbarenden höheren Satze für den Grund- 
besitz als für das Gewerbe aufgelegt werde.“ 
Die Regierung erklärte sich gegen diesen Reformplan, in- 
soweit derselbe auf gänzliche Aufhebung der Grundsteuer ab- 
zielte. Sie trat vielmehr dafür ein, die Grundsteuer zu refor- 
mieren und sie in reduzierten Sätzen fortzuerheben, daneben 
jedoch das aus Grund und Boden wie das aus allen übrigen 
Quellen stammende Einkommen mit einer Steuer zu belasten, 
die entweder ihrer Natur nach eine Ertragssteuer wie die Ge- 
1) Dekret vom 30. Oktbr. 1868.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.