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werbe- und Personalsteuer oder eine Klassen- und Einkommen-
steuer sein sollte.
Dieser Regierungsvorschlag drang indessen bei den Stän-
den nicht durch. Dagegen gelangte in der II. Kammer ein An-
trag des Dr. Rentzsch zur Annahme, der dahin ging, die Re-
gierung für den kommenden Landtag um die Vorlegung eines
Gesetzentwurfes zu ersuchen, der unter Aufhebung aller be-
stehenden direkten Staatssteuern ‚das ermittelte reine Ein-
kommen jedes Steuerpflichtigen als ausschließliches Steuer-
objekt erachtet und auf dem streng durchgeführten Prinzip
der allgemeinen und direkten Einkommensteuer beruht“.
Gegen Schluß des Landtags 1869/70 gelangte die Steuer-
reformfrage auch in der I. Kammer zur Beratung. Diese Kam-
mer stimmte dafür, „daß nur der reine Ertrag aus Grund-
stücken, Gewerbe, Handel oder jeder sonstigen Tätigkeit, Geld-
kapitalien und Zinsberechtigungen, Besoldungen, Pensionen und
Leibrenten jedes Steuerpflichtigen versteuert wird; daß ferner
nicht bloß beim Grundbesitz die bisher üblichen Steuereinheiten
beibehalten, sondern bei allen anderen Objekten der direkten
Steuer gleichfalls Steuereinheiten eingeführt, ferner der
gesamte Bedarf an ordentlichen und außerordentlichen Steuern
nur in Pfennigen pro Steuereinheit ausgedrückt werden.“ Der
Antrag der Il. Kammer wurde dagegen vollständig abgelehnt.
So konnte man am Schlusse des Landtags 1869/70 ange-
sichts der sich diametral gegenüber stehenden Ansichten der
beiden Kammern nur mit zaghaftem Mute in die Zukunft blicken
in bezug auf ein glückliches Gelingen des Steuerreformwerkes.
II. Das Gefühl der Überraschung mußte daher, namentlich
bei der II. Kammer, um so größer sein, als die Regierung
dem nächsten Landtage mit Dekret vom 15. Dezember 1871
einen Gesetzentwurf vorlegte, in welchem sie in entschiedenem
Gegensatze zu ihrer früheren Ansicht nicht nur die bestehende
Grundsteuer in Wegfall zu bringen geneigt war, sondern auch
als einzige direkte Steuer eine Ertragssteuer neu eingeführt
wissen wollte, bei welcher naturgemäß jeder Schuldzinsenabzug
unzulässig war, während doch die beiden Kammern darin über-
einstimmten, daß die Steuerreform auf dem Boden des Schuld-
zinsenabzugs durchgeführt werden müsse. Diese Ertragssteuer
sollte treffen den „Ertrag der Arbeit, sowie des in Gewerbe,
Grund und Boden, Gebäuden oder gegen Leihzinsen angelegten
Vermögens, ingleichen den Ertrag von Renten.“ Der Ertrag
aus inländischem Grundbesitz „wird“ — so hieß es da — „mit
Hilfe der auf den Grundstücken liegenden Steuereinheiten durch
Rechnung gefunden und zwar in der Weise, daß der jährliche
Ertrag einer Steuereinheit zu !/,, des von sechs zu sechs Jahren
zu ermittelnden durchschnittlichen Kaufpreises einer Steuer-
einheit derselben Kategorie an demselben Orte beziehungs-