Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 117 
der ziemlich gemischten Gesellschaft in den andern Sälen immer vor- 
herrschender. Um 4½ Uhr war alles zu Ende. 
Berlin, 18. Januar 1862. 
Heute um ½3 Uhr war ich bei dem Kronprinzen. Nach einigen 
allgemeinen Konversationen kam er auf unfre Familienverhältnisse zu 
sprechen, auf die Fideikommisse von Ratibor und Corvey, auch Tref- 
furt u. s. w. Ich erklärte ihm dies auf seinen Wunsch und unterließ nicht zu 
betonen, daß ich mich noch weiter in Preußen anzukaufen gedächte. Er 
hob dies hervor und sagte, daß ihn das um so mehr freue, als er mit 
Bedauern erfahren habe, daß ich zwar einmal die Absicht gehabt habe, 
mich um einen Sitz im Herrenhause zu bewerben, diese Absicht aber auf- 
gegeben habe. Ich bemerkte hierauf, daß ich mich im vergangenen Jahre 
an meinen Bruder gewendet hätte, um ihn wegen des Herrenhauses zu 
fragen. Er habe mir darauf günstige Nachrichten darüber gegeben. Ich 
hätte es aber damals und während der Zeit des bayrischen Landtages 
nicht gewagt, eine Eingabe in diesem Betreff zu machen. Daraus sei dann 
das irrtümliche Gerücht entstanden, ich hätte erst gewollt und dann die 
Absicht wieder aufgegeben. Dies sei keineswegs der Fall. Ich würde im 
Gegenteil jeden Augenblick die nötigen Schritte tun und fände die Tätigkeit 
im preußischen Herrenhause sehr vereinbar mit meiner Tätigkeit in Bayern, 
da wir dort nur alle drei Jahre Landtag hätten. Was die politische Seite 
der Sache betreffe, so sei dies für mich auch keine Schwierigkeit. Ich sei 
nun einmal in München als Preuße verschrien und werde also weder 
eine bessere noch eine schlechtere Stellung dadurch in Bayern bekommen. 
Diese letztere Aeußerung motivierte ich nun, indem ich in einer längeren 
Auseinanderlegung meine politische Lebensgeschichte vortrug, mit einer dra- 
stischen Beschreibung der Reichsgesandtschaft anfangend und dann übergehend 
zu meiner politischen Stellung in Bayern, mein Votum von 1849 hervor- 
hob und meine damalige Stellung als Kleindeutscher charakterisierte. Der 
Prinz hörte mit der größten Aufmerksamkeit zu und sprach dann ganz 
offen seine ebenfalls kleindeutsche Ansicht, seine Freude über die Tätigkeit 
des Herrn von Roggenbach aus, stimmte mir aber vollkommen bei, als 
ich bemerkte, daß bei der herrschenden Stimmung in Süddeutschland, bei 
den sehr feinen und unbekannten Projekten des Kaisers Napoleon nur mit 
der größten Vorsicht vorgegangen werden dürfe. Schließlich bat ich den 
Kronprinzen, dem König zu sagen, daß ich keineswegs meine Absichten 
auf den Eintritt in das Herrenhaus aufgegeben habe, sondern jeden Augen- 
blick bereit sei, wenn es der König wünsche, die nötigen Schritte zu tun. ) 
  
1) Der Fürst gab den Gedanken, in das Herrenhaus einzutreten, infolge des 
preußischen Verfassungskonfliktes ganz auf. Am 12. Dezember 1862 schrieb er dem
	        
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