Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

120 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
Bedauernswert sei es allerdings, daß wir in unserm politischen Leben 
nicht mit Gentlemen zu tun hätten, dies sei aber ein Begriff, der uns 
überhaupt abgehe. 
Was die auswärtige Politik anbetreffe, so könne ich ihre Auffassung 
nur billigen. Es sei auch eine zuwartende Politik jetzt nötiger als je. 
Die deutsche Frage werde dann ihrer Lösung näher geführt, wenn das 
revolutionäre Prinzip in Europa die Oberhand gewinne, sie werde aber 
von ihrer Lösung dann entfernt, wenn das Prinzip des historischen Rechts 
mehr Chancen habe. In der neuesten Zeit scheine die letztere Eventualität 
eingetreten zu sein. In einem solchen Augenblick, wenn nur der geringste 
Schein gesicherter Zustände auftauche, denke kein Monarch in Deutschland 
daran, auf irgendein Recht zu verzichten, das seiner aristokratischen 
Bureaukratie Nachteil bringen, zum Beispiel die Zahl der Gesandtenstellen 
vermindern könne u. dergl. Die deutsche Frage sei eine unendlich 
schwierige, und ich sehe zurzeit gar keine Möglichkeit, zu irgendeinem be- 
friedigendem Resultat zu gelangen. Es entspann sich hierauf noch ein 
Zwiegespräch über denselben Gegenstand, über die Entrüstung, welche die 
Bernstorffsche Note 1) hervorgerufen habe u. s. w., Klagen über die feind- 
liche Haltung der „Allgemeinen Zeitung“, über Lerchenfeld u. a. 
Schließlich sagte die Königin, sie müsse noch von meiner eignen 
Stellung sprechen: „Leonille 2) hat mir oft gesagt, sie wünsche, daß Sie 
eine Stellung in Preußen einnehmen möchten. Es ist dies auch mein 
Wunsch. Sie sind uns nötig“" — hierauf verschiedene schmeichelhafte 
Aeußerungen. „Ich glaube, der einzige Weg ist, wenn Sie in das Herren- 
haus kämen. Wäre dies denn nicht möglich? Könnten Sie es mit Ihrer 
Stellung in Bayern vereinigen? Denn die dürfen Sie nicht aufgeben. 
Wir haben so wenig Beziehungen mit Süddeutschland, daß uns ein solches 
Band sehr nötig ist.“ Das war also der Zweck, die Vermittlerrolle 
zwischen preußischen Projekten und Süddeutschland! 
Ich erklärte, daß ich allerdings Erkundigungen eingezogen habe über 
die Möglichkeit, in das Herrenhaus zu kommen, daß ich das Projekt voriges 
Jahr nur verschoben, nicht aufgegeben habe, und daß ich es wieder auf- 
greifen würde, wenngleich ich noch Schwierigkeiten begegnen würde. 
  
1) Das Bundesreformprojekt des sächsischen Ministers von Beust, welches das 
Alternat zwischen Oesterreich und Preußen im Bundespräsidium vorschlug, hatte 
Preußen durch eine Note vom 20. Dezember 1861 beantwortet, in welchem die 
Bildung eines Bundesstaats innerhalb des Staatenbunds als möglich und allein 
ausführbar hingestellt wurde. Dagegen protestierten Oesterreich und die Mittel- 
staaten in identischen Noten am 2. Februar 1862. 
2) Die Stiefmutter der Fürstin Hohenlohe, Fürstin Leonille zu Sayn-Wittgen- 
stein, welche der Königin Augusta nahe befreundet war.
	        
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