Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

124 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
Fortdauer des gegenwärtigen Zustands zur Revolution führt, so muß man 
sich nach einem Projekte umsehen, das innerhalb des Bereiches der Mög- 
lichkeit liegt. Da kommt man denn folgerichtig wieder auf die Idee des 
Herrn von Radowitz zurück: Bundesstaat unter Preußen und Bündnis 
mit Oesterreich. 
Diese Idee ist gescheitert, weil im Jahre 1849 die Geister noch nicht 
von der Ueberzeugung durchdrungen waren, daß alle andern Pläne un- 
möglich seien. Seitdem sind aber 13 Jahre verflossen, und jene Idee 
gewinnt mit jedem Tage neue Anhänger. Die Idee des Bundesstaats ist 
aber ferner gescheitert an dem Widerstand der katholischen Partei in 
Deutschland, an der Abneigung dieser, sich unter einem protestantischen 
Kaiser zu einigen. Ich glaube, die katholische Partei ist hier im Irrtum. 
Durch den Anschluß an die großdeutsche Partei, durch das Festhalten des 
großdeutschen Programms hindert sie die Reform ohne irgend eine Aus- 
sicht auf die Verwirklichung ihrer Wünsche. Sie arbeitet für die Stagnation 
und damit für die Revolution, während sie unter einem preußischen Kaiser 
nichts verlieren, sondern nur größere Freiheit für die Kirche erlangen 
wird. Der Zustand der Katholiken in Preußen, verglichen mit dem Zustand 
der Katholiken im übrigen Deutschland, beweist dies. 
In die Hand dieser Partei ist es jetzt gegeben, zu entscheiden, ob die 
Reform des Deutschen Bundes auf friedlichem Wege oder auf dem Wege 
der Revolution geschehen soll. Schließt sie sich der Idee des National- 
vereins an, so werden die Regierungen gezwungen, nachzugeben. Es wird 
damit in die Bewegung ein konservatives Element hineingetragen, welches 
dafür Bürgschaft leistet, daß die Bewegung eine Reformbewegung 
bleiben wird. « 
In diesem Sinne wäre ein Wort des Grafen Montalembert von 
großer Wichtigkeit und zündender Wirkung. 
10. März. 
Heute habe ich Montalembert in diesem Sinne bearbeitet. Er hat 
mir zwei Gründe entgegengehalten: 
1. klagt er über die preußische Intoleranz gegen die Katholiken, ins- 
besondere in betreff der Universitäten. Er sagt, daß die den Katholiken 
feindliche Politik Friedrich Wilhelms III. die Katholiken gegen Preußen 
aufgebracht habe. Dazu komme, daß die Katholiken in Deutschland „par 
Ssuite d’un préjugé et de traditions“ an dem österreichischen Kaiserhause 
hingen und deshalb gegen Preußen seien, 
2. aber hält er die Idee des Herrn von Radowitz deshalb für un- 
ausführbar, weil Oesterreich den Einheitsstaat nicht halten könne. Oester- 
reich sei für den Föderatiostaat gemacht und könne die widerstrebenden 
Stämme auf die Dauer nicht in den Einheitsstaat einzwängen.
	        
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