Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 125 
Ich verteidigte die Ideen des Herrn von Schmerling und suchte den 
ersten Punkt zu widerlegen. Darüber wurden wir unterbrochen. 
Karlsruhe, 26. September 1862. 
Während meines Aufenthalts in Karlsruhe hatte ich Gelegenheit, 
mehrere Gespräche mit Roggenbach zu führen, die teilweise mich selbst, 
teilweise allgemeine politische Fragen betrafen. Zunächst wurde bei einem 
Souper bei Roggenbach zwischen ihm und mir und den beiden Holstein 
die preußische Frage diskutiert. Der gegenwärtige Zustand sei, sagte Prinz 
W. Holstein, die Folge der Macht und des Einflusses, den die Kreuz- 
zeitungspartei noch immer nicht bloß im Herrenhause, sondern auch gegen- 
über der Krone und der Gesellschaft ausübe. Unter diesem Drucke leide 
alles. Es wurde viel hin und her geredet über Detailfragen, Kreisord- 
nung u. a., worauf Prinz Fr. Holstein Gewicht legte, wogegen Roggen- 
bach hervorhob, es handle sich vor allem darum, daß die Aristokratie 
oder ein Teil derselben sich an die Spitze der Bewegung, soweit sie das 
Recht vertrete, stelle und in die liberale Partei konservative Elemente 
hineintrage, statt in die konservativen Fraktionen liberale Elemente hinein- 
tragen zu wollen. Das übrige werde sich dann schon finden. 
In betreff der deutschen Frage führte er aus, diese könne nicht dis- 
kutiert werden, solange nicht eine große europäische Frage, etwa die orien- 
talische, den Hebel abgebe, durch welchen die Großmächte zu Konzessionen 
gegenüber Deutschland gezwungen würden. Deutschland könne sich nicht 
de but en blanc als Einheitsstaat konstituieren, ohne das europäische 
Gleichgewicht in Frage zu stellen und ohne also sofort eine Koalition 
gegen sich hervorzurufen, was dann vermieden werden würde, wenn die 
betreffende europäische Frage die Großmächte scheide und Gelegenheit gebe, 
die Konzession in betreff der deutschen und holsteinischen Frage als Ge- 
wicht der Allianz in die Wagschale zu werfen. 
Auf dem Hofball kamen W. Holstein und Roggenbach nochmals auf 
die preußische Frage zurück, und Roggenbach betonte, es müsse sich vor 
allem eine regierungsfähige Partei im Herrenhause bilden, diese müsse dann 
zum Beispiel in den Fragen wegen Verfassungsverletzung, Interpretation der 
Verfassung u. s. w. die Initiative ergreifen, etwa in Form einer Inter- 
pellation, und dann dem Lande gegenüber sich Achtung erwerben und da- 
durch bei eintretender Krisis in der Lage sein, die Augen auf sich zu 
ziehen als auf Männer, aus welchen eine Regierung zusammengesetzt werden 
könne. 
Bei der letzten Konferenz mit Roggenbach im Ministerium, wo wir 
allein waren, kamen wir zuerst auf die Stellung Oesterreichs in Deutsch- 
land zu sprechen. Hier führte er nun aus, daß es sich für Oesterreich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.