Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 127 
Reise nach Frankfurt zum Deutschen Fürstentag. 
Freitag den 14. August Abreise von München um 6 Uhr Morgens 
über Ulm und Stuttgart. 
Bei dem öfteren Wechseln der Waggons kam ich mit Graf Waldstein, 
Mitglied des österreichischen Herrenhauses, zusammen, der ebenfalls aus 
Interesse an dem Fürstentag nach Frankfurt reiste. Er erzählte mir 
manches Interessante über die böhmischen Zustände und schien der gesamt- 
staatlichen Partei anzugehören. Seine Urteile über die tschechisch-deutsche 
Aristokratenpartei waren äußerst vernünftig. Auf den Bahnhöfen in Ulm 
und auf der Route sah man schon die Vorbereitungen zur Dekorierung. 
Die Hitze Üüberstieg alle Begriffe. In einem Zustande von Gekochtsein 
kamen wir nach Frankfurt. Ich fand ein bescheidenes Zimmer im Hotel 
de Russie und beeilte mich, mich umzuziehen und zu Tisch zu gehen. Hier 
fand ich zu meiner freudigen Ueberraschung Mülhens, mit dem ich dann 
den Abend verlebte. Wir gingen nach Tisch zu Madame Metzler, dann 
einen Augenblick ins Theater, wo wir den letzten Akt des „Kaufmanns von 
Venedig“ sahen. 
Ueber die Sache selbst habe ich bis jetzt nichts gehört. Das Publi- 
kum ist hier hauptsächlich mit Ausschmücken der Häuser, mit dem bevor- 
stehenden Einzug, der Wohnung der hohen Herrschaften und ähnlichen 
Dingen beschäftigt. 
15. August. 
Um 10 Uhr zum Herzog von Koburg. Ich sand ihn glücklich darüber, 
daß der Gedanke, welchen der Kaiser eingegeben hatte, ausgeführt worden 
sei. Er meint, der Kaiser solle den deutschen Fürsten sogleich eine neue 
Bundesverfassung vorschlagen, gewissermaßen oktroyieren. Preußen werde 
dann auf vierzehn Tage aus dem Bunde austreten, dann aber sehr glücklich 
sein, wenn man es wieder aufnehmen wolle. Der König von Bayern sei 
wütend, die andern Monarchen sehr konsterniert, es sei eine sehr komische 
Situation, daß die Herren, die eben erst die deutsche Fahne in ihren 
Ländern verboten hätten, nun gezwungen seien, unter einer prächtigen 
schwarzrotgoldenen Fahne in ihren Wohnungen in Frankfurt zu seuszen. 
Von hier ging ich zu Pfordten. ) Er war sehr freundlich, schien 
aber die ganze Situation sehr bedenklich anzusehen. Daß man gar nichts 
vorher mitgeteilt habe, scheint ihm sonderbar. Daß ihn seine Freundschaft 
für Oesterreich, seine Antipathie gegen Preußen dahin geführt hat, machte 
ihm einen unangenehmen Eindruck. Er ist offenbar betroffen darüber und 
gegen Oesterreich mißgestimmt. Mir machte es ein wahres Vergnügen, 
  
1) Freiherr von der Pfordten war Vertreter Bayerns beim Bundestage von 
1859 bis 1864.
	        
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