Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

130 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
noch nicht wieder da. Ich ging Abends zum Herzog von Koburg, wo ich Her- 
mann fand. Hier bemerkte ich sogleich, daß die Lage sich vollkommen 
geändert hatte. Der Herzog lamentierte, daß nichts zustande kommen 
werde. Von seinem Schwager, dem Großherzog von Baden, werde gegen 
das ganze Projekt agitiert. Hinter dem Großherzog stehe die Gothaische 
Partei mit Häusser und Bluntschli an der Spitze, die Oesterreich Oppo- 
sition machen wolle. Der Großherzog verhindere alles, hetze die Fürsten 
gegen Oesterreich auf und sei gegen den Kaiser persönlich unhöflich. 
Ich ging dann mit Hermann nach Hause, der die Absicht hatte, den 
andern Morgen nach Langenburg abzureisen. 
Freitag 21. August. 
Heute Morgen in den Abgeordnetentag, der in einem schönen Saale 
des sogenannten Saalbaus abgehalten wird. Die Galerien sind geräumig. 
Die ständige Kommission des Abgeordnetentags schlug vor, gleich ohne 
weitere Prozedur das Bureau zu wählen und proponierte Bennigsen, Unruh 
und Barth, die dann sogleich zu Präsidenten gewählt wurden. Bennigsen 
hielt eine Art Antrittsrede mit wohlklingender Stimme und großer Gewandt- 
heit. Er sieht jung aus und hat ganz die Sicherheit eines Mannes, der 
sich viel im öffentlichen Leben bewegt hat. Unruh ist der preußische 
Regierungsrat, wie er im Buche steht. Barth war mir bekannt. Von den 
Reden, die gehalten wurden, war die bedeutendste die von Häusser, der 
den Standpunkt seiner Partei gegenüber dem Reformprojekt des Kaisers 
sehr klar darlegte. Ich sah daraus sogleich, daß die liberale Partei in 
Deutschland von Oesterreich nichts wissen will und an der preußischen 
Spitze festhält und dem Programm des Nationalvereins. Welcker, der 
sehr alt geworden ist, sprach mit gewohntem Eifer für Reichsverfassung. 
Schulze-Delitzsch hielt eine sehr schöne Rede, die aber besser für eine 
Volksversammlung gepaßt hätte. Einige andre Redner waren unter aller 
Kritik widerwärtig, so ein deklainierender Jude Fischer aus Breslau, ein 
Herr Becker und einige andre Unbekannte. 
Nachmittags war ich wieder da, konnte aber nur bis 4 Uhr bleiben und 
hörte daher die Rede von Völk nicht, die gut gewesen sein soll. Um 5 Uhr 
aß ich mit Larisch, der als altenburgischer Minister hier ist, im „Russischen 
Hof“ zu Mittag. Dieser ist nun in gewohnter ehrlicher Weise offen gegen 
das österreichische Bundesreformprojekt. Er hält die Reform ohne voll- 
kommene Gleichstellung beider Großmächte für unmöglich und die Gleich- 
stellung beider Großmächte im Bunde für unausführbar. Wolle man, so 
sagte er, den Bund mit Oesterreich, so könne man nur eine Föderation 
in der bisherigen Weise beibehalten. Ein Bundesstaat mit Oesterreich an 
der Spitze setze eine Demütigung Preußens voraus, zu der mitzuwirken die
	        
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