132 Aus den Jahren 1850 bis 1866
daß Oesterreich die Partie verloren hat. Meiner Ansicht nach hatte man
sich in Wien über die Stimmungen der mittleren und kleinen Fürsten
getäuscht. Man glaubte sie in der Tasche zu haben und dachte mit einem
Coup d’Etat Preußen zugrunde richten zu können. Dies ist nun nicht
gelungen, da die deutschen Souveräne sofort gegen Oesterreich Front
machten, als dies merken ließ, es wolle die andern unterdrücken. Hätte
Oesterreich sein Terrain besser gekannt, so würde es dieses Manöver
unterlassen haben oder es mußte noch revolutionärer vorgehen und die
Demokratie durch eine demokratische Verfassung gewinnen.
22. August.
Oesterreich hat gestern früh den Vorschlag, den es in der Nacht ge-
macht hatte, wieder zurückgezogen, wie es scheint, auf Veranlassung des
Königs von Sachsen. Dann fand die Konferenz statt, in der viel diskutiert
worden sein soll. Man hat sich bis zu Artikel 6 geeinigt, den Artikel 3
aber — über das Direktorium — ausgesetzt. Ueber diesen findet heute
Mittag eine Beratung statt. Die kleinen Souveräne wollen sich dem
Fünferdirektorium nicht so unbedingt unterwerfen, sie wollen, daß dieses
der Ausdruck der Gesamtsouveränität der deutschen Bundesstaaten, nicht
aber ein Herrscher über die andern sei. Deshalb wollen sie, daß das
Direktorium dem Fürstenrat eine Art Rechenschaftsbericht vorlegen müsse.
Die Könige sind mit dem Direktorium von 5 nicht zufrieden, Sachsen
proponiert 6 Direktoren, davon sollen 2 Oesterreich und Preußen, Bayern 1,
Sachsen, Württemberg, Hannover zusammen 2 haben und der letzte von
den andern Fürsten gewählt werden.
Morgen wird darüber beim Kaiser abgestimmt. Wenn dieser Punkt
beseitigt ist, wird das übrige wohl in kurzer Zeit beendigt sein, so daß
Mittwoch alles zu Ende sein kann.
Abends war Ball bei Baron Bethmann. Ich fand da eine Menge
Bekannte, so u. a. Herrn von Vincke (Gisbert), der jetzt hier wohnt,
Sternberg, Dumreicher, Zachariä aus Göttingen. Der Großherzog von
Baden nahm mich beiseite, um mir seine Ansichten auseinanderzusetzen. Der
Großherzog von Weimar lud mich ein, im Herbst nach Weimar zu kommen.
Ebenso sprach ich mit dem Herzog und dem Erbprinzen von Meiningen,
mit Rechberg, Crenneville, Schrenck und vielen andern. Die Nachricht, daß
die bayrische Kammer sich für den Verfassungsentwurf ausgesprochen habe,
machte viel Sensation.
Herr von Kerstorf bemerkte, daß es Zeit sei, daß die Souveräne von
Frankfurt wieder abreisten, „sie fingen an, das Publikum zu langweilen.“
Fürst und Fürstin Metternich waren ebenfalls auf dem Ball. Letztere
in einer etwas auffallenden Toilette und sehr bemalt.