Aus den Jahren 1850 bis 1866 145
entschiedensten zur Geltung zu bringen weiß, ist eine Reform der Bundes-
verfassung in der angedeuteten Richtung sehr schwierig.
Ein drittes Hindernis für die bayrische Idee liegt in der Abneigung
Oesterreichs und Preußens gegen die Trias. In Oesterreich will man die
Aufrechterhaltung des Bundes, wie er ist, und widerstrebt auch aus dem
Grunde der Bildung einer dritten Staatengruppe, weil in derselben pro-
testantische und katholische Staaten in Verbindung gebracht werden, ein
Gedanke, der den Ultramontanen unangenehm ist. Vielleicht vertraut man
auch in Wien auf den Zerfall des ganzen Deutschen Bundes, um dann
aus den abfallenden Stücken die österreichische Monarchie gegen die deutschen
Grenzen hin besser zu arrondieren. Ich bin in die Geheimnisse der Wiener
Hof= und Staatskanzlei zu wenig eingeweiht, um darüber ein Urteil zu
haben.
Die preußische Politik sieht in der Trias sowohl eine Beeinträchtigung
der preußischen Hegemonie über Deutschland als auch ein Hindernis der
Vergrößerung Preußens im Norden von Deutschland. Hier werden also
die bayrischen Gedanken auf entschiedenen Widerspruch stoßen.
Ich fürchte daher, daß die Mittelstaaten dazu verdammt sein werden,
nach wie vor in dem gegenwärtigen Zustand zu verbleiben, bis sie einmal
in einem großen europêäischen Konflikt als Opfer von notwendigen Territorial=
veränderungen fallen werden.
Mir scheint dieser Zustand beklagenswert nicht allein im Interesse der
bedrohten Staaten, sondern sogar im Interesse der deutschen Großmächte
selbst. Oesterreich bedarf keiner Territorialvergrößerungen. Eine geordnete
innere Verwaltung und geregelte Finanzen sind ihm zu allen Zeiten nötiger
und genügen, um seine Macht dauernd zu begründen, insbesondere wenn
dazu natürliche Allianzen kommen. Preußen könnte seinen deutschen Bundes-
staat nur infolge einer ganz besonders günstigen Konstellation der europäi-
schen Lage ausführen und nur dann, wenn Oesterreich von der Karte von
Europa verschwände. Die politische Lage von Europa war im Jahre 1848
der Durchführung des Bundesstaats günstig. Man hat damals in Preußen
die Gelegenheit nicht benutzt. Eine solche Gelegenheit wird so bald nicht
wiederkommen. Oesterreich wird trotz Italien, trotz schlechter Finanzen
und trotz Konkordat nicht von der Karte von Europa verschwinden. Die
Vorbedingungen des Zustandekommens eines deutsch-preußischen Bundes-
staats werden also noch lange nicht gegeben sein. Unterdessen kann aber
der gegenwärtige Zustand des Deutschen Bundes zu der heillosesten Kon-
fusion führen, zu einer Verwirrung, die ihre Schwingungen auch nach
Wien und Berlin tragen würde.
Aus diesem Grunde würde ich es im Interesse von Oesterreich und
Fürst Hohenlohe, Denkwürdtgkeiten. 1 10