Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 151 
dies neue edle Weidwerk. Ihr Gatte kam seinem Weidmannsberufe 
stets korrekt nach, aber mit viel geringerer Passion. Er nahm lateinische 
Klassiker auf seinen Stand mit, was meine Söhne, die damals noch im 
Gymnasium schwitzten, mit Staunen erfüllte. Ich erinnere mich, daß ich 
einmal in den letzten Jahren auf dem Stand mit ihm war. Um uns 
die lange Wartezeit abzukürzen, rezitierte er mir aus dem Gedächtnis ohne 
Stocken die längsten und schönsten Gedichte. In unfrer poetischen Be- 
geisterung verpaßte er denn auch die Gemsböcke, die ihm zugetrieben 
waren. Zum Schlusse, als wir schon aufbrechen sollten, fesselte ihn eine 
Meise, die, von all dem Geknatter und Geknalle erschreckt, ängstlich Schutz 
bei ihm suchte. Wir verspäteten uns beträchtlich, da er damals schon sehr 
langsam ging. Man war um uns besorgt und hatte uns Jäger entgegen- 
geschickt. Das unauslöschliche Gelächter der Gesellschaft, die nicht glauben 
wollte, daß wir uns auf einer Gemsjagd wegen einer Meise aufgehalten 
hatten, störte Chlodwigs passive Ruhe nicht im geringsten.“ 
8. Das Jahr 1866. 
Aufzeichnung des Fürsten. 
München, 21. März 1866. 
Bei der bevorstehenden oder beabsichtigten Demonstration 1) muß man 
sich vor allem klar werden über Zweck und Mittel, man muß sich 
fragen, ob der Zweck erreichbar ist und die Mittel, die uns zu Gebote 
stehen, Erfolg versprechen. 
Der Zweck soll sein: die Regierung durch die Bildung eines Vereins 
zu einer mehr entschiedenen Haltung, zu tätigem Eingreifen in die 
gegenwärtige Krisis zu veranlassen und ihr dabei gleichzeitig die Allianz 
der Nation, wenigstens des südwestlichen Teiles derselben, durch die 
Voranstellung des Planes der Zusammenberufung eines deutschen Parla-- 
ments zu sichern. 
Das tätige Eingreifen der Regierung soll befördert werden, damit 
eine Einigung der Mittel= und Kleinstaaten zustande komme. 
Hier fragt es sich: ist dieser Teil des Programms jetzt erreichbar? 
Was die Dynastien anbetrifft und die sie vertretenden Regierungen, so 
können wir auf Beistimmung nur rechnen bei Sachsen; Württemberg ist 
zweifelhaft, Baden feindlich, die kleinen Herzogtümer und ganz Nord- 
deutschland auf preußischer Seite. Alle diese Staaten würden nur dann 
  
1) Näheres über die beabsichtigte „Demonstration“ war nicht zu ermitteln. 
Die Veranlassung ergibt der nachfolgende Brief des Prinzen Karl von Bayern.
	        
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