160 Aus den Jahren 1850 bis 1866
In der Kammer der Abgeordneten wird am Montag die Debatte
über die 31 Millionen stattfinden, die für militärische Zwecke nötig sind.
Ich bin neugierig, die Reden über Papiergeld zu hören. Brater und Kolb
sind meiner Ansicht und dagegen.
Der König sieht jetzt niemand. Er wohnt mit Taxis 1) und dem
Reitknecht Völk auf der Roseninsel und läßt Feuerwerke abbrennen. Auch
die Reichsräte, welche ihm die Adresse überbringen wollten, sind nicht
empfangen worden. Ein Fall, der im konstitutionellen Leben Bayerns
unerhört ist. Ergebenheitsadressen nicht zu empfangen, und zwar von dem
getreuen Reichsrat, das stimmt die hohe Kammer sehr trüb. Die eigent-
lichen Münchener räsonieren wieder recht. Andre Leute kümmern sich
nicht um die Kindereien des Königs, da er ja die Minister mit den
Kammern ganz ungestört regieren läßt. Es ist aber sein Benehmen
unklug, weil es dazu Gelegenheit bietet, ihn verhaßt zu machen. Um
1 Uhr war ich bei Reuß, der seine Abberufung erwartet. Louis?) will
eintreten. Er muß es auch, wenn er seine Stellung in Preußen nicht ganz
verderben will.
Das große Publikum sieht die ganze Krisis mit einer gewissen Gleich-
gültigkeit, mit einem objektiven Interesse an. Daß die gegenwärtigen Zu-
stände nicht dauern können, das sieht jedermann ein. Warum für die
Erhaltung derselben Krieg führen? Könneritz meint, Bayern werde doch
nicht aktiv auftreten.
Heute Abend ist, wie Stauffenberg erzählt, hier Judenkrawall angesagt.
Ich glaube es aber nicht.
München, 19. Juni 1866.
Infolge des Antrags auf Mobilisierung des Bundesarmeekorps hat
Preußen seinen Austritt aus dem Bund angekündigt und hat Sachsen,
Hannover und Hessen angegriffen. Die bayrische Regierung, die bis jetzt
in einem Zwischenzustand angeblicher Unparteilichkeit war und sich schmeichelte,
darin bleiben zu können, ist plötzlich zu ihrem Erstaunen aus ihrem Traum
aufgeweckt und genötigt worden, sich auf die österreichische Seite zu stellen.
Sie hat dem preußischen Gesandten angekündigt, daß sie die diplomatischen
Verbindungen abbreche, und Reuß ist mit Louis heute abend um 6 Uhr
abgereist. Ich habe ihm noch auf der Eisenbahn Lebewohl gesagt, es war
dort die französische, die russische, die italienische Gesandtschaft, ferner
Quadt, Deroy und ich.
Reuß ist mit schwerem Herzen abgereist, da er ohne Zweifel nicht
1) Ordonnanzoffizier Prinz Paul Taxis.
2) Prinz Ludwig zu Sayn-Wittgenstein, Bruder der Fürstin, damals bei der
preußischen Gesandtschaft in München.