164 Aus den Jahren 1850 bis 1866
Thurnau, 28. Juni.
Seit gestern bin ich hier. Von München bis Nürnberg merkte man
nichts von den Kriegszeiten. In Nürnberg fing es an, militärisch lebendig
zu werden. In Bamberg war eine Batterie des 3. Artillerieregiments.
Ich fand den Hauptmann von Massenbach, dem ich meine „Allgemeine
Zeitung“ gab, worüber er sehr erfreut war. Die Soldaten benahmen sich
wie rohe Bauernlümmel am Sonntag, sie johlten und lärmten greulich.
Der Restaurateur des Bahnhofs klagte mir sein Leid über die traurigen
Zeiten. Da, wo sonst Kissinger Badegäste in eleganter Toilette zu Mittag
aßen, tobte das Kriegsvolk. Auf dem Weg nach Lichtenfels begegnete ich
Zügen mit Kürassieren. In Lichtenfels standen Vorposten aus. Hier
herum ist alles leer. Wer weiß, ob nicht die Preußen hereinkommen, ehe
ich wieder abreise. Doch wird sie die verlorene Schlacht in Böhmen, 1)
von der man heute in der Zeitung liest, wohl etwas vorsichtiger machen.
München, 3. Juli 1866.
Die neuesten Nachrichten vom böhmischen Kriegsschauplatz bringen
hier eine Stimmung hervor, die nicht eben für die Charakterfestigkeit der
Bevölkerung spricht. Jetzt finden auf einmal die Leute, es sei doch besser
gewesen, neutral zu bleiben, gegen die preußischen Zündnadelgewehre könne
man doch nichts machen u. s. w. Dazu kommt, daß unfre Armee, welche
die Hannoveraner sehr gut hätte befreien können, Wochen verloren hat,
ohne daß dafür ein Grund besteht oder wenigstens bekannt ist. Man
hörte im bayrischen Hauptquartier den Kanonendonner von Langensalza
und hat sich nicht gerührt. Wenn man freilich den Krieg von München
aus dirigiert, wenn sich das Hauptquartier der Leitung eines ehemaligen
Professors2) unterordnet und die Befehle erst aus dem Ministerium des
Auswärtigen erhält, dann kann man keinen Krieg führen. Die Indignation
der bayrischen Offiziere soll darüber groß gewesen sein. Infolge alles
dessen verlieren die schwachen Leute den Mut, die andern schimpfen noch
ärger als je. Daß die gegenwärtige Bundesmilitärverfassung sich nicht
bewährt hat, daß auch die gegenwärtige Bundesverfassung sich überlebt hat,
das wird nach und nach allen Leuten klar. Gestern Abend 7 Uhr ging
ich vom „Bayrischen Hof“, wo ich an der Table d’'hote mit den Herren des
Herzogs von Augustenburg gegessen hatte (der Herzog ist auf einige Tage
nach Langenburg), nach Hause. Ich kam aber erst nach 1½ Stunden
zu Hause an; denn in der Ludwigstraße fand ich Tauffkirchen, ) Deroy
1) Das Treffen bei Trautenau am 27. Juni.
2) von der Pfordten war in Würzburg und Leipzig Professor gewesen.
3) Graf Tauffkirchen, damals Stadtrichter in München.