Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

176 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
untersuchen. Nachdem er das nötige Pflaster verordnet hatte, ging er 
gleich auf die Politik über. Ich sah ihm an, daß mit ihm etwas vor- 
gegangen sein mußte; er hatte eine Atmosphäre von staatsmännischer 
Wichtigkeit um sich, die mir an ihm neu war. Das Rätsel löste sich so- 
fort; denn er erzählte mir, er sei jetzt seit vierzehn Tagen fast jeden Abend mit 
dem König bei Paul Taxis zusammengekommen. Sein Urteil über den König 
ist sehr günstig; es stellt sich mehr und mehr heraus, daß alle Mißgriffe 
und Unterlassungen, deren sich der König schuldig gemacht hat, durch das 
Kabinett veranlaßt worden sind. Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht; 
es ist wahr, daß Pfistermeister und Lutz 1) den König absichtlich isoliert 
haben, um ungestört ihr Protektionswesen zu treiben in Gemeinschaft mit 
Pfordten und Bomhard. So ist es gekommen, daß der König von dem 
Trauergottesdienst für die Armee nichts wußte. Pfistermeister war es, der 
den König abgehalten hat, der Beerdigung des Generals Zoller beizuwohnen. 
Pfistermeister hat den König abgehalten, die Spitäler zu besuchen u. s. w. 
Es scheint, daß Schanzenbach mit dazu beigetragen hat, dem König die 
Augen zu öffnen. Dann hat der König den früheren Minister Neumayr.) 
konsultiert, und so kam er zu dem Entschluß, das Kabinett zu ändern, und 
Neumayr, Tauffkirchen und Feilitzsch zu berufen. Die Unterhandlungen 
schweben noch. Neumayr soll Kabinettsminister oder Minister des Königlichen 
Hauses werden. Die beiden andern sollen als Kabinettsräte eintreten. 
Pfordten wird dann weggehen müssen. Der König will mich an Pfordtens 
Stelle haben und hat dies gesagt, woraus dann die Zeitungsartikel entstanden 
sind. Dagegen wird nun von der ultramontanen Partei und wahrscheinlich 
auch von Neumayr gearbeitet, der mir meine Angriffe bei einer Diskussion 
in der Kammer nicht vergessen kann. Die Stimmung im allgemeinen ist 
noch immer gleich günstig für mich. Meine Rede hat mir viel genützt, 
weil die große Mehrheit eine Verständigung mit Preußen, solange der 
Norddeutsche Bund nicht fest organisiert ist, für notwendig hält, und ich 
das ungescheut zuerst ausgesprochen habe. Pfordtens planlose Politik wird 
allgemein verdammt. Gleich den Tag nach meiner Ankunft wurde ich wieder 
durch einen Artikel der „Neuesten Nachrichten“ überrascht, in welchem bestimmt 
versichert wurde, ich sei ausersehen, Pfordten zu ersetzen. Die guten 
Münchner, die alle die „Neuesten Nachrichten“ zum Kaffee lesen, nahmen 
natürlich die Nachricht für bare Münze. Da hatte mich einer in Gala 
zum König fahren sehen, der andre wollte gesehen haben, wie der König 
zu mir gekommen sei, um mich zu bitten, das Ministerium anzunehmen, 
  
) Ministerialrat Pfistermeister, Chef des Zivilkabinetts des Königs, Appel- 
lationsgerichtsrat Lutz, der spätere Minister, im Kabinett beschäftigt. 
:) Max von Neumayr, ehemals Gesandter in Stuttgart und Minister des 
Innern.
	        
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