Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 177 
ein dritter wollte wissen, ich hätte abgelehnt, weil man mich früher über- 
gangen habe u. dergl. 
Die Wahrheit scheint zu sein, daß der König den Plan nicht auf- 
gegeben hat, daß aber von allen Seiten dagegen intrigiert wird. Vechhioni,) 
bei dem ich heute Nachmittag war, meint auch, daß es sehr möglich sei, 
daß die früheren Kabinettsräte wieder in ihre Stellen eingesetzt würden 
und daß alles beim alten bleibe. Die „Augsburger Postzeitung“ prophezeit 
Unheil aus meiner Ernennung zum Minister, die andern Lokalzeitungen 
sehen darin den Anfang einer paradiesischen Zeit; die „Augsburger Allgemeine“ 
ignoriert mich vornehm. 
Jedenfalls werden diese Intrigen noch einige Monate fortgehen. 
Das Provisorium im Kabinett soll noch bis zum 1. Dezember fortdauern, 
wie mir von der Tann sagt. Wenn aber Pfistermeister definitiv abgesetzt 
sein wird, so können Pfordten und Bomhard nicht bleiben. 
Ob ich Minister werde, hängt davon ab, ob Neumayr es in seinem 
Interesse erachtet, seine Popularität durch meinen Eintritt in das neue 
Ministerium zu erhöhen, oder ob er fürchtet, daß ich ihm schaden könne. 
Ist letzteres der Fall, so wird ohne Zweifel der gute Bray#) oder eine 
andre Nullität aus der bayrischen Diplomatie zum Minister des Aeußern 
gemacht. 
München, 3. November 1866. 
Am 25. Oktober erhielt ich einen Brief Holnsteins 3) vom 18., in 
welchem er mich zu einer Besprechung nach München über den Eintritt 
ins Ministerium einlädt, und den darauffolgenden Tag einen zweiten Brief 
mit dem Rundschreiben des Ministers von der Pfordten und dem Auftrag 
des Königs, meine Ansicht darüber auszusprechen. Ich machte mich also 
sofort an die Arbeit und war einige Tage darauf fertig. Am 31. kam 
ich nach München. Tauffkirchen war der erste, den ich sah. Ich zeigte 
ihm das Rundschreiben und mein Gutachten, mit welchem er vollkommen 
einverstanden war, bis auf den Schluß, wo ich dann seinem Rat entsprechend 
einige Modifikationen anbrachte. 
Den 1. November kam Holnstein. Er fing damit an, mir im Namen 
des Königs das Ministerium des Hauses und des Aeußern und die 
Ministerpräsidentschaft anzubieten, und stellte mir gleichzeitig die Ueber- 
tragung der Kronoberstkämmererstelle in Aussicht. Un honneur que je 
goüte fort médiocrement. Ich gab ihm dann das Gutachten und beriet 
  
1) Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“. 
:) Graf Bray-Steinburg, damals Gesandter in Wien, 1870 Minister des 
Aeußern. 
3) Oberst-Stallmeister Graf Holnstein. 
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. I 12
	        
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