Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

182 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
Journal. 
München, 12. Dezember 1866. 
Von Wien gestern früh zurückkehrend, schrieb ich sofort an Tauff- 
kirchen, um ihn zu bitten, zu mir zu kommen. Er erschien um 1 Uhr 
und teilte mir mit, daß er Holnstein zwar noch nicht gesprochen habe, 
aber aus Aeußerungen Schanzenbachs entnehme, daß Neumayrs Einfluß 
fester stehe als je, und daß auch Holnstein sich von ihm habe überzeugen 
lassen, daß die Kammer gegen mich sei. Neumayr habe beim König 
Ludwig und Prinz Karl wahrscheinlich die Verpflichtung eingegangen, 
mich vom Ministerium fernzuhalten, und dadurch die Befürchtungen 
beschwichtigt, die beide hohe Herren gegen seinen Eintritt ins Kabinett 
gehegt hatten. Es scheint also, daß es mit meinem Eintritt ins Ministerium 
nichts sein werde. Jedenfalls werde aber, meint Tauffkirchen, die Kammer 
sich für mein Programm entscheiden, und dann werde meine Stellung um 
so besser. Abends begegnete ich Tauffkirchen, der zu Holnstein berufen 
war. Er versprach, dann um 8 Uhr zu mir zu kommen. Dies geschah, und 
nun zeigte es sich, daß die Situation wesentlich verändert war. Pfordten 
hatte nach der Ankunft des Königs in der Nacht vom 10. bis 11. sein 
Entlassungsgesuch eingereicht, Neumayr liegt krank zu Bett, und der 
König verlangt Holnsteins Rat. Tauffkirchen hat ihm also geraten, den 
König zu bestimmen, Pfordtens Entlassung anzunehmen, das Ministerium 
bis zum Zusammentritt und zur Meinungsäußerung der Kammern durch 
Staatsrat Daxenberger verwalten zu lassen und dann erst das Ministerium 
zu bilden. Das stimmt mit meinen früheren Vorschlägen überein. Jeden- 
falls wird sich die Kammer in meinem Sinne aussprechen, und dann ist 
meine Ernennung sicher und meine Stellung eine sehr gute. 
Heute früh war Tauffkirchen bei mir und sagte mir, daß dies geschehen 
sei. Der König geht nach Hohenschwangau und nimmt Lutz mit. Dieser 
ist nicht gegen mich und wird nun dadurch noch gewonnen werden, daß 
man ihm das Justizministerium in Aussicht stellt. So bin ich sicher, daß 
in der Zwischenzeit keine Intrigen gegen mich angezettelt werden. Neu- 
mayr wird dann gestürzt, und Assessor Riedel kommt als einfacher Ka- 
binettssekretär oder Rat ins Kabinett. 
Den 17. Dezember. 
Freitag den 14. Abends kam Holnstein zu mir und teilte mir den 
Wunsch des Königs mit, daß ich mit Schlör 1) reden möchte, den der 
König im Ministerium behalten will. „Ich solle mich mit demselben ver- 
ständigen,“ da Neumayr dem König gesagt hatte, daß alle Minister ihre 
  
1) Schlör war als Direktor der Ostbahnen und einflußreicher Abgeordneter 
der erste Handelsminister in Bayern geworden. Er war damals Vertreter des 
Wahlkreises Amberg.
	        
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