Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

184 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
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1. Als der wenn auch entfernte, doch unverrückt im Auge zu behaltende 
Zielpunkt der Politik Bayerns erscheint uns die Erhaltung Deutschlands, 
die Vereinigung der Gesamtzahl und, soweit dies unmöglich, der größeren 
Zahl der deutschen Stämme zu einem Bundesstaat, geschützt gegen außen 
durch eine starke Zentralgewalt und im Innern durch eine parlamentarische 
Verfassung, unter gleichzeitiger Wahrung der Integrität des Staats und 
der Krone Bayern. 
Dieses Ziel direkt und unmittelbar zu verwirklichen, halten wir nicht 
an der Zeit. Oesterreich, aus dem Bunde geschieden, sucht im Augenblick 
einen Haltpunkt in seinen außerdeutschen Elementen. Die Bildung eines 
süddeutschen Bundesstaats unter Führung dieses Gesamtösterreichs halten 
wir weder für wünschenswert noch für ausführbar. Preußen in Bildung 
eines dem Einheitsstaate sich nähernden Bundes mit den kleineren Staaten 
des deutschen Nordens begriffen, will heute selbst den Eintritt der süd- 
deutschen Staaten in diesen Bund nicht, und auch wir halten bedingungs- 
losen Eintritt Bayerns in den Norddeutschen Bund nicht für den geeigneten 
Weg, zur Einheit zu gelangen. Wir würden das Streben nach solchem 
Aufgehen im preußischen Staate mit den Pflichten der Räte der Krone 
Bayern für gänzlich unvereinbar halten. 
Ja, wir würden es als einen unnützen und deshalb besser zu unter- 
lassenden Versuch ansehen, mit Preußen in diesem Augenblick und ehe 
Norddeutschland selbst das Bedürfnis solcher Einigung fühlt, über eine 
Vereinigung zu irgendeiner andern Form des Bundesstaats in Unter- 
handlung zu treten. 
Ein Südwestdeutscher Bund mit parlamentarischer Verfassung wäre 
zwischen den Staaten Bayern, Württemberg, Baden und dem nicht mit 
Norddeutschland vereinigten Teile von Hessen vielleicht anzustreben, wenn 
der Wunsch nach solcher Einigung in der Bevölkerung der sämtlichen 
genannten Staaten lebendig wäre. Dies ist aber so wenig der Fall, daß 
von einem Versuche, der nur dazu dienen könnte, die innere Zerfahrenheit 
zu offenbaren und zu vergrößern, entschieden abzuraten ist. 
Es ist sonach richtig, daß in der Frage der organischen Wieder- 
vereinigung aller deutschen Stämme Bayern heute, wir sagen leider, zu 
einer abwartenden Haltung gezwungen ist. 
2. Mit diesem Ausspruche ist aber nicht die heutige Aufgabe der 
bayrischen Politik bezeichnet. 
Bayern als Staat zweiten Ranges kann nicht ohne Allianz mit einer 
europäischen Großmacht bestehen. Es bedarf einer solchen Stütze nament- 
lich in einem Augenblick, in welchem die Verfassung des Deutschen Bundes 
zerrissen ist und die Möglichkeit ernster europäischer Konflikte nicht bestritten
	        
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