Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Aus den Jahren 1850 bis 1866 187 
Gegenstand einer späteren Vorlage sein. Der Vorstand des Kabinetts 
könnte gleichzeitig Minister ohne Portefeuille sein; dies gewährte den 
Vorteil, daß der direkte Ratgeber der Krone den Kammern verantwortlich 
wäre. Die Verfassung kennt aber keinen Minister ohne Portefeuille, die 
Kröierung dieses Ministeriums würde die Zustimmung der Kammern zu 
einer Verfassungsänderung bedingen, und ich glaube deshalb, daß man 
vorderhand davon absehen und es bei der beschlossenen Ernennung des 
Herrn von Neumayr bewenden lassen sollte. 
Was die einzelnen Minister betrifft, so dürfte Herr von Pechmann 
in seinem Amte zu belassen sein. Er ist ein anständiger, geachteter Mann, 
der durch die Vorlage seiner sozialen Gesetzentwürfe Gelegenheit hat, das 
Vertrauen des Landes zu erwerben. Ebenso ist gegen Herrn von Pfretz- 
schner und Herrn von Schlör nichts zu erinnern. 
Minister Gresser fehlt es vielleicht an der nötigen Energie, doch würde 
dieser Mangel durch das Zusammenwirken des Gesamtministeriums in 
wichtigen, die kirchlichen Angelegenheiten betreffenden, Fragen zu heben sein. 
Minister Bomhard dürfte am zweckmäßigsten durch Herrn von Neu- 
mayr zu ersetzen sein. 
Graf Tauffkirchen hält seinen Eintritt in das Ministerium aus Rück- 
sicht auf die bureaukratischen Vorurteile nicht für opportun und würde 
eine Ernennung zum Ministerialrat im Ministerium des Aeußern vorziehen. 
Die Besetzung der erledigten Reichsratstellen dürfte am zweckmäßigsten 
durch die Berufung solcher Männer geschehen, die das Vertrauen des 
Landes, loyale Gesinnung und praktische Erfahrungen im Staatsleben oder 
in volkswirtschaftlichen Zweigen haben. Ich nenne Graf Hegnenberg-Dux, 
Dingler in der Pfalz, Neuffer oder Fikentscher in Regensburg. 
Journal. 
München, 22. Dezember 1866. 
Gestern Abend um 11 Uhr kam Holnstein zu mir und sagte mir, der 
König sei angekommen, sei aber noch zweifelhaft, da von seiten der 
königlichen Familie, namentlich des Königs Ludwig, sehr gegen mich ge- 
arbeitet werde. Man halte mich für einen Verräter, der Bayern an 
Preußen bringen wolle u. s. w. Was die Sache noch mehr verzögere, sei 
die Ungewißheit wegen Neumayr, dessen Entlassung aber wohl kommen 
werde. Während wir noch sprachen, kam ein Jäger des Königs, der 
Holnstein das Entlassungsgesuch Neumayrs#) brachte. Damit wäre also 
  
1) Neumayr war seit seiner Entlassung als Minister des Innern im November 
1865 außer Dienst. Mit dem „Entlassungsgesuch“ muß also ein Gesuch, bei den 
bevorstehenden Veränderungen im Ministerium nicht herangezogen zu werden, 
gemeint sein.
	        
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