10 Aus der Jugend (1819 bis 1847)
meine künftigen Zivilpläne, da er doch voraussetzen muß, man tritt in
den Zivildienst, wenn er einen guten Fortgang der juristischen Studien
(diese hatte ich vorher angeführt) wünscht. Auch scheint es folglich gar
nicht aufzufallen, daß wir so lange nicht in Berlin gewesen sind. Man
setzt voraus, daß wir erst etwas lernen, ehe wir uns präsentieren. Freilich
sind das alles Fiktionen, aber es läßt sich doch so manches aus der Art
und Weise der Unterhaltung schließen.
Nachdem die Ferien in Corvey im Familienkreise fröhlich verlebt
waren, 1) wurden die Studien in Heidelberg wieder aufgenommen und auch
in der Weihnachtszeit nicht unterbrochen. „Stille Weihnachten“ meldet
das Tagebuch. Am ersten Weihnachtstage schreibt der Prinz seiner Schwester:
„Ich lese jetzt Müllers Briefe an Bonstetten. Es ist nichts, was
einen gewöhnlichen Menschen so erhebt, als zu sehen, wie große Männer,
leuchtende Phänomene der Geisterwelt, durch ihre eignen Anstrengungen,
freilich begünstigt durch Genie, zu einer Höhe gelangt sind, an der wir
andern armen Erdenbürger hinaufschauen. Ich habe den Thomas a Kempis
lateinisch bekommen. Eine ganz andre Sache. Herrliche Kraftsprache, die
im Deutschen übersetzt immer etwas undeutsch wird. Auch kann man den
Sinn nur da recht erfassen.“
Heidelberg, 25. Januar 1840.
Unser Leben ist von mancherlei Kurzweil verschiedener Abend-
belustigungen durchflochten, die weniges zum Studium der ernsten Rechts-
wissenschaft, weniges zum Studium der Menschen, deren Studium umsonst
ist, gar nichts zum Vergnügen beitragen. Doch darf ich nicht ungerecht
sein. Vor einigen Tagen habe ich mich mit Philipp Ernst sehr gut unter-
halten bei Graf Rantzau, der einen niedlichen Lesezirkel hat, wo Rollen
verteilt sind und danach Trauerspiele gelesen werden. Den Abend wurde
der „Kaufmann von Venedig“ gelesen. Wir beide hatten auch Rollen.
Man unterhielt sich allgemein sehr gut.
Wir sind in einem Entzücken über den freundlichen Brief, den uns
Prinz Albert auf die ihm geschriebenen Glückwünsche:) hat zukommen
1) „Wie schön war es,“ schreibt die überlebende Schwester des Fürsten, Prin-
zessin zu Salm-Horstmar, „wenn die Brüder in den Ferien von der Universität
nach Hause kamen und in das große Schloß in Corvey Leben brachten. In dem
herrlich großen Zimmer saß meine Schwester Amalie am Klavier und begleitete
meinen Bruder Chlodwig, der einen schönen Bariton hatte, oder sie sangen auch
Duette. Als kleines Kind sah ich bewundernd zu den Geschwistern auf. Oder
meine Schwester spielte auf der Harfe und sang dazu. Die andern Brüder zeichneten
viel, besonders Philipp Ernst, dem ein so kurzes Leben beschieden war.“
2) Zu seiner Verlobung mit der Königin Viktoria.