Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

190 Aus den Jahren 1850 bis 1866 
Reichsräte noch sehr brauchbar sein könne, und deshalb werde auch Hegnen- 
bergs Ernennung von großem Werte und gutem Eindruck im Lande sein. Er 
meinte, Präsident Neumayr sei besser. Der ist aber in der Zweiten Kammer 
nicht zu entbehren. Endlich muß ich noch erwähnen, daß ich des Streites 
gedachte, welcher vor einigen Jahren in den beiden Kammern über das 
Recht der Anträge geführt worden ist. Ich machte deshalb darauf auf- 
merksam, daß ich auch jetzt noch dieselbe Ansicht hätte, und Lutz war ein- 
verstanden, daß dieser Punkt in dem an den König einzureichenden Schreiben 
zu erwähnen sei. Wegen Wagner, meinte er, möchte ich nichts erwähnen, 
er werde jedenfalls nicht vor dem Frühjahr zurückkommen. 
Nach der Besprechung ging ich zu Tauffkirchen, der darin eine Schlinge 
fand, daß Lutz mir gesagt habe, ich möchte das Programm kürzer zusammen- 
fassen. Man rede in der Stadt, daß ich meinen Ansichten untreu würde, 
und deshalb sei es ratsam, mich strikte an das zu halten, was ich schon 
einmal schriftlich von mir gegeben habe, sonst werde man wieder sagen, 
daß ich noch ein Programm eingereicht habe. 
Ich tat dies auch und schrieb dann das Schreiben vom 29. Dezember 1) 
an den König und einen Nachtrag, in welchem ich mich zur Vorlage der 
„Erlasse“ an den König bereit erklärte. Beide Schreiben gingen am 
Morgen des 29. an den Kabinettssekretär ab. 
Am Nachmittag besuchte ich den Minister des Innern,2) dem ich die 
Lage der Dinge auseinandersetzte. Er war anfangs etwas befangen, und 
ich konnte ihm seine Mißstimmung gegen mich ansehen. Ich teilte ihm die 
Punkte meines Programms mündlich mit. Er sprach mir von seinen 
Maßregeln bezüglich der Presse. Dann bemerkte er, ich würde ohne Zweifel 
auch Vorsitzender des Ministerrats werden, und da werde nun die Schwierigkeit 
entstehen, daß der Vorsitzende bisher immer das Gesamtministerium bei 
Angriffen in den Kammern verteidigt habe, das werde nun in betreff der 
vorliegenden Gesetzentwürfe nicht der Fall sein können. Ich schwieg darauf, 
da ich ihm nicht mitteilen wollte, daß ich den König um Ernennung zum 
Vorsitzenden des Ministerrats gebeten habe. 
Bei Minister Gresser 3) fand ich dieselbe etwas erschreckte und befangene 
Aufnahme. Er hörte auch meine Mitteilungen aufmerksam an und teilte 
mir dann seine Grundsätze mit, nach welchen er das Kultusministerium 
leite. Möglichste Unabhängigkeit der Kirche, soweit kirchliche Dinge berührt 
sind, Hebung des Unterrichts, Entziehung der Schulaufsicht aus den aus- 
schließlichen Händen des Klerus u. s. w. 
  
1) Das Konzept dieses Schreibens ist nicht erhalten. 
2) Freiherr von Pechmann. 
3) Kultusminister.
	        
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