Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 197 
Grenzmacht erfüllen könne. Ich werde mich bemühen, darauf hinzuwirken, 
daß die freundschaftlichsten Beziehungen Bayerns zu Oesterreich erhalten 
und gefördert werden. 
Meine Herren! Die Staatsregierung wird auch nicht die Hand bieten 
zur Bildung eines in sich abgeschlossenen südwestdeutschen Bundesstaates, 
weil unzweifelhaft eine Uebereinstimmung der Regierungen und Bevölkerungen 
in dieser Beziehung nicht zu erreichen ist und weil ein solcher Bundesstaat 
die Kluft zwischen dem Süden und Norden von Deutschland noch er- 
weitern würde. 
Wenn ich aber erklärt habe, daß die Staatsregierung keinen Schritt 
zu tun gedenkt, der uns vom Ziele der deutschen Gesamtpolitik entfernt, 
so- darf ich mich auf diesen negativen Standpunkt nicht beschränken. Es 
würde dies die Proklamierung der Isolierungspolitik sein. Bayern als 
Staat zweiten Ranges kann nicht ohne Allianz mit einer europäischen 
Großmacht bestehen. Es bedarf einer solchen Stütze namentlich im gegen- 
wärtigen Augenblick, in welchem die Verfassung des Deutschen Bundes 
zerrissen ist und die Möglichkeit europäischer Konflikte nicht bestritten werden 
kann. Der Großstaat aber, an welchen sich Bayern anzuschließen und als 
dessen Bundesgenosse es im Falle eines Krieges gegen das Ausland sich 
offen zu erklären hat, ist Preußen. 
Diese Bundesgenossenschaft, die in der Aufgabe der bayrischen Re- 
gierung liegt, bringt es mit sich, daß Bayern gegen bestimmte Garantie 
der Souveränität des Königs sich im Falle eines Krieges gegen das Aus- 
land der Führung Preußens unterstelle; sie bringt es mit sich, daß das 
bayrische Heer in einer Art und Weise organisiert wird, die eine gemein- 
schaftliche Kriegführung ermöglicht. Diese Bundesgenossenschaft wird an 
Wert gewinnen, wenn es gelingt, nicht nur die Wehrkraft Bayerns zu 
erhöhen, sondern auch die übrigen südwestdeutschen Staaten zur Einrichtung 
einer gleichmäßigen und kräftigen Heeresorganisation zu bestimmen. Die 
Staatsregierung ist bestrebt, diese Uebereinstimmung herbeizuführen und 
damit die Annäherung des Südens von Deutschland an den Norden zu 
fördern, zugleich aber auch die eigne Unabhängigkeit, soweit dies an uns 
liegt, vor Annexionsgelüsten, von welcher Seite sie auch kommen mögen, 
zu wahren. 
Erlauben Sie mir nun, meine Herren, zum Schlusse noch einmal die 
Aufgabe der bayrischen Politik in wenigen Worten zusammenzufassen! 
Es ist die Anbahnung eines Verfassungsbündnisses mit den übrigen Staaten 
Deutschlands, sobald und soweit dies unter Wahrung der bayrischen 
Souveränitätsrechte und der Unabhängigkeit des Landes möglich ist; 
bis zur Erreichung dieses Zieles die Schaffung einer achtunggebietenden 
Macht, nicht durch die Organisation des Heeres allein, sondern auch durch
	        
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